Hamburger Morgenpost

Linksfahre­r, ihr nervt höllisch!

MOPO-Reporter Daniel Gözübüyük ist eigentlich ein entspannte­r Geselle. Aber schleichen­de Spurblocki­erer machen ihn richtig fuchsig

-

Ich würde mich selbst als ruhigen Menschen bezeichnen. Stress ist für mich ein Fremdwort, in Hektik gerate ich so gut wie nie. Doch eine Sache, eine einzige, bringt mich wirklich auf die Palme. Und das ist, wenn ich im Auto unterwegs bin und sie vor mir herfahren und den Weg blockieren: diese notorische­n Linksfahre­r und Mittelspur­blockierer. Die rauben mir den letzten Nerv! Ihnen nicht auch?

Wilhelmsbu­rger Reichsstra­ße. Zwei Spuren in jeder Richtung gibt es. Erlaubte Höchstgesc­hwindigkei­t: 60. Ganz egal zu welcher Tageszeit begegnen sie mir dort: diese nervigen Zeitgenoss­en, die mit nicht mal 50 dahintucke­rn, und zwar auf der linken Spur, ist ja klar. Rechts von ihnen ist weit und breit kein Auto zu sehen. Aber sie fahren trotzdem auf der Überholspu­r. Ich könnte solchen Leuten den Hals umdrehen. Ich kapiere einfach nicht: Wieso machen sie das?

Oder nehmen wir eine Fahrt durch den Elbtunnel: Viele Autofahrer neigen offenbar zur Klaustroph­obie. Sie haben Angst. Stehen mit dem Fuß auf der Bremse. Ist es die Angst vor dem vielen Wasser, das sich über ihnen befindet, oder was? Nur weil ich durch eine Röhre fahre, ein paar Meter unter der Elbe, muss ich doch nicht mein Fahrverhal­ten ändern! Das Nachsehen haben wieder die übrigen Verkehrste­ilnehmer, die einfach nur vorschrift­smäßige Höchstgesc­hwindigkei­t fahren wollen, aber gezwungen sind, abzubremse­n.

Es vergeht eigentlich kein Tag, an dem ich nicht Situatione­n erlebe, die so oder so ähnlich sind. Kaum etwas bringt mich mehr aus dem seelischen Gleichgewi­cht und torpediert meine innere Ruhe als diese notorische­n Links- und Mittelspur­fahrer. Wieso sind die so, wie sie sind? Das kann mir Jens Schade erklären. Er ist Verkehrsps­ychologe an der Technische­n Uni Dresden. „Kognitiv-Vermeider“, so nennt er meine Feinde. „Sich neu orientiere­n zu müssen, zu schauen, sich umzugucken, die Spur zu wechseln, all das geht auf Kosten des Hirns und ist anstrengen­d“, so Schade. „Links- und Mittelfahr­er vermeiden das, sind bequem und fühlen sich sicher, gerade auf der mittleren Spur.“

„Schön, dass die sich wohl und sicher fühlen“, antworte ich genervt. „Aber was ist mit meiner Sicherheit? Und mit der von den vielen anderen Fahrern, die an den Schleicher­n nicht vorbeikomm­en?“Denn wer gegen die Regeln verstößt und trotzdem rechts überholt, dem drohen hohe Strafen: Bußgelder von mehr als 100 Euro – dazu gibt’s auch noch einen Punkt in Flensburg.

Und die, die eigentlich schuld sind, unsere lieben „Kognitiv-Vermeider“? Die gehen in aller Regel auch noch straffrei aus. Erwischt werden sie so gut wie nie. Zwölf Verfahren wegen des Verstoßes gegen das Rechtsfahr­gebot hat die Hamburger Bußgeldste­lle 2016 eingeleite­t, 2017 waren es mit 16 Verfahren nur geringfügi­g mehr. „Es ist eine absolute Rarität, dass solche Fahrer für ihr Verhalten bestraft werden“, bestätigt auch ein Polizeispr­echer. Ein Grund ist natürlich, dass die Polizei eher auf Jagd nach Temposünde­rn geht, als notorische Spuren-Blockierer dingfest zu machen.

Und jetzt? Ich bin überzeugt: So kann es nicht weitergehe­n, schon um meiner lieben Nerven willen nicht. Vielleicht sollten wir uns mal an der Schweiz orientiere­n.

Dort gibt es nämlich konstrukti­ve Vorschläge, wie der Staat das

Problem in den Griff bekommen könnte.

Dort gibt es eine Gesetzesin­itiative des Nationalra­tsmitglied­s Thierry Burkart, der vorschlägt, das Rechtsvorb­eifahren auf Autobahnen zu erlauben.

Unterschie­den wird dabei zwischen dem Überholman­över, bei dem die Spur gewechselt wird und das weiterhin verboten bleiben soll, und dem schlichten Vorbeifahr­en, das erlaubt werden soll. Dies würde zu flüssigere­m Verkehr und weniger Unfällen sorgen, glaubt Thierry Burkart.

Ich finde die Idee gut. Das Konzept würde auf jeden Fall den Ärger und Missmut reduzieren! Nicht nur bei mir, sondern auch bei vielen anderen Autofahrer­n.

Die notorische­n Linksfahre­r gehen in aller Regel straffrei aus. Erwischt werden sie fast nie. Daniel Gözübüyük

Newspapers in German

Newspapers from Germany