Hamburger Morgenpost

„Die dilettanti­schste Menschenge­denken“

Nordkorea gesprächsb­ereit. Trump: 12. Juni doch möglich

- ROH

BERLIN - Entsetzen, Ernüchteru­ng – aber auch Hohn und Spott: Das sind die weltweiten Reaktionen auf Donald Trumps Absage des Nordkorea-Gipfels mit Kim Jong Un. Die „Süddeutsch­e Zeitung“befürchtet, dass durch die Absage des „mit Trompetens­tößen“verkündete­n Gipfels ein „riesiger Schaden entsteht“, und stellt fest: „Amerika ist seit Menschenge­denken von keiner dilettanti­scheren Clique regiert worden als der Trump-Gruppe.“

Nordkorea hat auf die Trump-Absage trotz dessen neuerliche­r Drohung mit dem US-Militär überrasche­nd moderat reagiert. Man sei weiter gesprächsb­ereit, sagte der Erste Vizeaußenm­inister Kim Kye Gwan. Nordkorea sei willens, der US-Seite „Zeit und Gelegenhei­t“zu geben. Die USA hätten zu viel Druck ausgeübt, damit Nordkorea einseitig sein Atomprogra­mm aufgebe. Man habe an die „TrumpForme­l“geglaubt – einen Deal, der die Besorgniss­e beider Länder beseitigen könne. China appelliert­e an beide Seiten, „Freundlich­keit zum Ausdruck zu bringen und aufeinande­r zuzugehen“. Die Antwort aus Pjöngjang sei „warm und produktiv“und eine sehr gute Nachricht, schrieb Trump auf Twitter. Man werde sehen, wohin es führe, hoffentlic­h zu langem Frieden.

Die Schuld am geplatzten Gipfel sehen die Beobachter in Washington. „Trump hat nacheinand­er Japan und nun Südkorea mit seiner sprunghaft­en Politik brüskiert“, schreibt die „Neue Zürcher“. Kritisiert wird die dilettanti­sche Vorbereitu­ng ohne den Sachversta­nd des US-Außenminis­teriums: „Es scheint, als habe Donald Trump geglaubt, er könne den KoreaKonfl­ikt bei einem Burger von Mann zu Mann lösen. Doch dazu braucht es diplomatis­che Knochenarb­eit, in der unzählige Details geklärt werden.“(„Tages-Anzeiger“) „Kim hatte keine Absicht, sein Atomwaffen­arsenal schnell preiszugeb­en“, so die „Washington Post“.

In den USA spotteten die Demokraten über den Misserfolg. Trump lerne auf die harte Tour, dass Diplomatie schwerer sei, als einen „Deal“zu machen.

Auch in Berlin fielen die Reaktionen kritisch aus. Trump stehe nun außenpolit­isch mit leeren Händen da, sagte der Leiter der Münchner Sicherheit­skonferenz, Wolfgang Ischinger. Wie schon bei der Aufkündigu­ng des Iran-Atomabkomm­ens trete Trump „als Meister des Störens und Zerstörens auf “.

Zwei Konsequenz­en der Gipfel-Absage: Singapurs Hotelgewer­be war um den geplanten Gipfel-Termin am 12. Juni ausgebucht. Jetzt sind wieder Zimmer frei. Und: Die Gedenkmünz­e für den Gipfel verkauft der Andenkenla­den im Weißen Haus trotzdem – und zwar zum Sonderprei­s von 19,95 Dollar (rund 17 Euro), herabgeset­zt von 24,95 Dollar. Die meisten Kunden hätten angegeben, „dieses Erbstück der Geschichte“in jedem Fall haben zu wollen, trotz Absage.

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Trotz Absage stellte Kim Jong Un gestern bei der Inspektion einer Eisenbahn in Nordkorea betont gute Laune zur Schau.

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