Topfit und ohne Auto So wünscht sich die Politik den „neuen Hamburger“
Sieger-Entwurf für neuen Stadtteil auf der grünen Wiese vorgestellt
Sie fahren überall mit dem Rad hin, treiben viel Sport und haben kein Auto? Wenn es Sie zudem nicht stört, in einem stark verdichteten Quartier zu wohnen, dann ist der neue Stadtteil Oberbillwerder Ihr idealer neuer Wohnort.
„Active City“lautet das ambitionierte Motto für Oberbillwerder. Gesundheit, Ernährung und Sport sind die Leitlinien der Planung. Die Bewohner sollen einmal fußläufig oder per Rad alles im Stadtteil erreichen und erledigen können. Die Autos sind in Quartiersgaragen ausgelagert und haben auf den Straßen der Wohnquartiere nichts zu suchen, weder rollend noch parkend. Denn es sind in erster Linie Spielstraßen.
Die Zahl der Parkplätze ist daher auch äußerst restriktiv kalkuliert: Pro Wohneinheit wird es einen halben Parkplatz in einer der elf Quartiersgaragen geben. Das muss für Bewohner und Besucher zusammen reichen.
Waren und Pakete sollen nur an dafür vorgesehenen Stationen (sogenannte City Hubs) angeliefert werden. Bausenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) ist begeistert: „Wir planen in diesem Stadtteil die Mobilität der Zukunft.“Tatsächlich wird es noch bis zu zehn Jahre dauern, bis der Stadtteil belebt ist. Die ersten HochbauMaßnahmen starten voraussichtlich 2023.
Billwerder ist das größte von drei neuen Quartieren, die der Senat auf der grünen Wiese plant. Derzeit befinden sich auf den 124 Hektar Marschlandschaft nördlich von Allermöhe noch Weiden und Äcker, bald entstehen dort nach dem Sieger-Entwurf des Planungsteams Adept Aps mit Karres+Brands und Transsolar rund 7000 Wohnungen.
Zwischen 16000 und 20 000 Menschen sollen dort einmal leben, in erster Linie in fünf- bis sechsgeschossigen Gebäuden. Wie üblich ist ein Drittelmix aus Eigentum, Mietwohnungen und sozialem Wohnungsbau geplant. Plus 15 Prozent Reihenund Einzelhäuser am Rand der Siedlungen. Es soll zwei Grundschulen und einen Schulcampus mit Gymnasium und Stadtteilschule geben. Plus 14 Kitas.
Um dem Wunsch des grünen Koalitionspartners und der Umweltverbände entgegenzukommen, möglichst
wenig Grünflächen zu verbrauchen, wird die Bebauung sehr eng sein.
Zum Vergleich: In Neuallermöhe Ost wurden auf der gleichen Fläche 3800 Wohneinheiten gebaut, während in Oberbillwerder 6960 geplant sind. Also fast doppelt so viele. Die Bewohner des neuen Stadtteils werden so deutlich enger wohnen, als es in Wohngebieten am Stadtrand bisher üblich ist.
Ein mögliches Attraktivitäts-Problem für den neuen Stadtteil könnte seine Lage im Osten zwischen problematischen Quartieren wie Neuallermöhe, Billbrook und Lohbrügge sein. Insbesondere da es keine Schlafstadt für Autofahrer wird, sondern die Bewohner sich dort viel aufhalten werden.
Hamburgs Oberbaudirektor Franz-Josef Höing ist aber zuversichtlich, dass der Stadtteil so „interessante Angebote hat“, dass die Menschen gern herziehen werden. Insbesondere die klare Unterteilung in unterschiedlich geprägte Quartiere habe Charme. Im Hinblick auf die Visualisierungen des Architektenteams schränkte er aber auch ein: „Bitte nehmen Sie die Bilder nicht zu ernst.“Ganz so paradiesisch wie auf den Grafiken wird der Stadtteil am Ende wohl nicht aussehen.
Laut Höing schaffe die Stadt hier aber etwas Ambitioniertes, das sich in die „spektakuläre Kulturlandschaft“dort einpasse.
Eine Kulturlandschaft, von der Hamburg jetzt allerdings die Hälfte bebaut. Was bei Umweltverbänden wie dem Nabu auf massive Kritik stößt. Bei einer Kartierung durch die Umweltbehörde wurden dort bedrohte Vogelarten wie Feldlerchen, Kiebitze, Blaukehlchen und Co. gefunden. Ihre Zahl hat in Hamburg ohnehin in den vergangenen Jahren dramatisch abgenommen.