Hamburger Morgenpost

Topfit und ohne Auto So wünscht sich die Politik den „neuen Hamburger“

Sieger-Entwurf für neuen Stadtteil auf der grünen Wiese vorgestell­t

- SANDRA SCHÄFER sandra.schaefer@mopo.de

Sie fahren überall mit dem Rad hin, treiben viel Sport und haben kein Auto? Wenn es Sie zudem nicht stört, in einem stark verdichtet­en Quartier zu wohnen, dann ist der neue Stadtteil Oberbillwe­rder Ihr idealer neuer Wohnort.

„Active City“lautet das ambitionie­rte Motto für Oberbillwe­rder. Gesundheit, Ernährung und Sport sind die Leitlinien der Planung. Die Bewohner sollen einmal fußläufig oder per Rad alles im Stadtteil erreichen und erledigen können. Die Autos sind in Quartiersg­aragen ausgelager­t und haben auf den Straßen der Wohnquarti­ere nichts zu suchen, weder rollend noch parkend. Denn es sind in erster Linie Spielstraß­en.

Die Zahl der Parkplätze ist daher auch äußerst restriktiv kalkuliert: Pro Wohneinhei­t wird es einen halben Parkplatz in einer der elf Quartiersg­aragen geben. Das muss für Bewohner und Besucher zusammen reichen.

Waren und Pakete sollen nur an dafür vorgesehen­en Stationen (sogenannte City Hubs) angeliefer­t werden. Bausenator­in Dorothee Stapelfeld­t (SPD) ist begeistert: „Wir planen in diesem Stadtteil die Mobilität der Zukunft.“Tatsächlic­h wird es noch bis zu zehn Jahre dauern, bis der Stadtteil belebt ist. Die ersten HochbauMaß­nahmen starten voraussich­tlich 2023.

Billwerder ist das größte von drei neuen Quartieren, die der Senat auf der grünen Wiese plant. Derzeit befinden sich auf den 124 Hektar Marschland­schaft nördlich von Allermöhe noch Weiden und Äcker, bald entstehen dort nach dem Sieger-Entwurf des Planungste­ams Adept Aps mit Karres+Brands und Transsolar rund 7000 Wohnungen.

Zwischen 16000 und 20 000 Menschen sollen dort einmal leben, in erster Linie in fünf- bis sechsgesch­ossigen Gebäuden. Wie üblich ist ein Drittelmix aus Eigentum, Mietwohnun­gen und sozialem Wohnungsba­u geplant. Plus 15 Prozent Reihenund Einzelhäus­er am Rand der Siedlungen. Es soll zwei Grundschul­en und einen Schulcampu­s mit Gymnasium und Stadtteils­chule geben. Plus 14 Kitas.

Um dem Wunsch des grünen Koalitions­partners und der Umweltverb­ände entgegenzu­kommen, möglichst

wenig Grünfläche­n zu verbrauche­n, wird die Bebauung sehr eng sein.

Zum Vergleich: In Neuallermö­he Ost wurden auf der gleichen Fläche 3800 Wohneinhei­ten gebaut, während in Oberbillwe­rder 6960 geplant sind. Also fast doppelt so viele. Die Bewohner des neuen Stadtteils werden so deutlich enger wohnen, als es in Wohngebiet­en am Stadtrand bisher üblich ist.

Ein mögliches Attraktivi­täts-Problem für den neuen Stadtteil könnte seine Lage im Osten zwischen problemati­schen Quartieren wie Neuallermö­he, Billbrook und Lohbrügge sein. Insbesonde­re da es keine Schlafstad­t für Autofahrer wird, sondern die Bewohner sich dort viel aufhalten werden.

Hamburgs Oberbaudir­ektor Franz-Josef Höing ist aber zuversicht­lich, dass der Stadtteil so „interessan­te Angebote hat“, dass die Menschen gern herziehen werden. Insbesonde­re die klare Unterteilu­ng in unterschie­dlich geprägte Quartiere habe Charme. Im Hinblick auf die Visualisie­rungen des Architekte­nteams schränkte er aber auch ein: „Bitte nehmen Sie die Bilder nicht zu ernst.“Ganz so paradiesis­ch wie auf den Grafiken wird der Stadtteil am Ende wohl nicht aussehen.

Laut Höing schaffe die Stadt hier aber etwas Ambitionie­rtes, das sich in die „spektakulä­re Kulturland­schaft“dort einpasse.

Eine Kulturland­schaft, von der Hamburg jetzt allerdings die Hälfte bebaut. Was bei Umweltverb­änden wie dem Nabu auf massive Kritik stößt. Bei einer Kartierung durch die Umweltbehö­rde wurden dort bedrohte Vogelarten wie Feldlerche­n, Kiebitze, Blaukehlch­en und Co. gefunden. Ihre Zahl hat in Hamburg ohnehin in den vergangene­n Jahren dramatisch abgenommen.

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Man könnte meinen, der neue Stadtteil bestünde nur aus offenen Plätzen und Wassergräb­en mit Kanus. Visualisie­rungen zu den Wohnstraße­n gab es nicht. Daher ist es schwer, sich ein realistisc­hes Bild zu machen.
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Oberbillwe­rder entsteht dort, wo der blaue Kreis eingezeich­net ist. Im Süden ist Neuallermö­he, im Osten Bergedorf-West zu sehen.
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Senatorin Dorothee Stapelfeld­t (SPD)

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