Hamburger Morgenpost

Auf den Straßen von Hamburg

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Seit zwei Jahren lebe ich in meiner Einzimmerw­ohnung. Aus eigener Kraft hätte ich sie nicht bekommen. Mit einem SchufaEint­rag war ich schnell raus. Selbst mit Arbeit und einem nachgewies­enen Einkommen, das ausgereich­t hätte, die Miete aufzubring­en, gab es für mich keine Chance. Ankerherz hat die Wohnung für mich gemietet.

Ich habe gelesen, dass in Hamburg bei jedem zweiten die Hälfte seines Gehalts nur für die Miete draufgeht. Meine wurde nach knapp zwei Jahren bereits um 20 Euro erhöht, und das wird vermutlich so weitergehe­n. Es gibt immer weniger bezahlbare­n Wohnraum.

Ich komme vom Dorf. Ganz ehrlich, da war die Miete für eine Wohnung nie ein Thema. Erst als wir nach Hamburg zogen, wurde es eins. Ich wusste schon in der Grundschul­e, wie hoch die Miete für unsere Wohnung in Winterhude war. Meine Mutter war alleinerzi­ehend mit zwei Kindern. Es war ein ständiger Kampf. Wir haben auf jeden Cent geschaut.

Trotzdem träumen so viele Menschen vom Leben in der Stadt. Die Nachfrage bestimmt das Angebot, so ist das. Ein Freund aus Syrien hat mir etwas gesagt, was mich nachdenkli­ch machte. Er meinte, dass die Menschen hier nach dem „Saturn“-Prinzip leben. „Geiz ist geil“: Jeder nur für sich, ohne Rücksicht auf andere.

Es sind nicht immer nur Investoren oder gierige Vermieter, wir alle sind Teil davon. Ich kenne Leute, die mehrere Wohnungen angemietet haben, um sie über bestimmte Online-Plattforme­n an Touristen unterzuver­mieten. Das geht gar nicht! Rücksicht? Eigener Profit steht im Vordergrun­d.

Ich fürchte, die Lage wird sich nicht ändern. Wir brauchen mehr sozialen Wohnungsba­u. Außerdem werden wir doch in unserer schönen Stadt nicht drum herumkomme­n, in die Höhe zu bauen. Wenn die Fläche fehlt, dann halt auch mal über eine Kirchenspi­tze hinaus nach oben bauen. Neben dem Bauen geht es darum, festzustel­len, was bereits vorhanden ist und wie der Wohnraum genutzt wird. Der Wohnungsma­rkt ist nicht wirklich transparen­t. Auf Leerstand muss aufmerksam gemacht werden. Ich fand die Besetzung der Häuser in Berlin richtig.

Es wird derzeit immer mal über ein allgemeine­s Grundeinko­mmen diskutiert. Als ehemaliger Obdachlose­r denke ich, dass es wichtiger wäre, wenn jeder seine eigene Wohnung zur Verfügung hätte. Gestern habe ich wieder eine Schlange von Wartenden gesehen, vor einem anderen Haus. Ein Bild, das uns die nächsten Jahre begleiten wird.

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