Bierhoff: Diese WM-Regeln gelten für unsere Spieler
Der DFB-Direktor über Social Media, politische Statements und einen Merkel-Besuch
Während sich die Gedanken von Joachim Löw (58) ausschließlich darum drehen, die perfekte Mannschaft und die richtige Taktik für die WM zu finden, hat Oliver Bierhoff (50) etliche andere Aufgaben zu lösen. Der DFB-Direktor macht sich permanent Gedanken, wie er die Nationalmannschaft und den deutschen Fußball voran treiben kann. Das MOPO-Interview aus dem Trainingslager in Südtirol.
MOPO: Wir sitzen im Team-Hotel. Wo steht denn eine Kopie des WMPokals als Motivationshilfe? Oliver Bierhoff: Wir haben tatsächlich überlegt, einen aufzustellen, haben es dann aber doch sein lassen. Insgesamt verzichten wir auf übertriebene Symbolik. Wir wollen viel trainieren und einige gemeinschaftliche Abende verbringen: Champions League schauen, gemeinsamer Grillabend mit der U20, ein PlaystationWettkampf. Diese SpielerGeneration will weniger unterhalten werden. Und unsere Botschaft ist auch klar: Wir müssen hart arbeiten, wenn wir den Titel verteidigen wollen.
Diese Generation ist auch sehr aktiv in Sachen Social Media. Mats Hummels hat sich Ärger wegen seines „Gutmenschen“-Tweets zugezogen. Welche Regeln stellen Sie auf?
Ich persönlich neige inzwischen dazu, keine Mails mehr zu schreiben. Man schreibt an drei Personen, und alle nehmen das unterschiedlich auf. Daher steckt auch in solchen Social Media-Posts immer ein Risiko. Es gibt immer wieder Leute, die Aussagen absichtlich falsch verstehen wollen. Unsere Regeln sind klar: Niemand darf sich despektierlich gegenüber Mitspielern äußern. Die Mitteilungen dürfen nicht zum Schaden der Mannschaft sein. Auch die Kommunikation von Verletzungen wollen wir abstimmen.
Verbieten Sie politische Statements bei der WM?
Wir werden die Spieler über das Gastgeberland Russland informieren, weil sich viele bestimmt nicht über die Vielfalt der Themen bewusst sind. Wir wollen keinen Maulkorb verhängen, aber eine Richtlinie an die Hand geben. Der Sport wird sicher auch wieder bei der WM von der Politik benutzt, man denke nur an die Debatten um Jerome Boateng bei der EM 2016. Darauf müssen die Spieler vorbereitet werden. Glauben Sie, dass das Thema Erdogan-Treffen für Mesut Özil und Ilkay Gündogan aus der Welt ist? Wir haben schon sehr viele und scharfe Kommentare erhalten. Wir wollen das Thema abhaken. Wir haben den Spielern aber ein klares Zeichen der Unterstützung gegeben. Angela Merkel ist bekanntlich Fan der Nationalmannschaft und besucht diese auch mal gerne im Quartier. Kommt sie eventuell nach Eppan?
Sie ist ja Südtirol-Fan, und sie ist immer ein gern gesehener Gast im Trainingslager. 2010 wollte sie ins Quartier nach Eppan kommen, da ist an dem Tag Bundespräsident Köhler zurückgetreten. Ich denke schon, dass wir sie entweder hier in Südtirol oder spätestens in Russland sehen werden. Sie möchte aus dem Treffen auf jeden Fall keine große Inszenierung machen.
Es gibt viel Spott über die WMKampagne „#zsmmn“. Ist der Versuch nach hinten losgegangen?
Man weiß bei solchen Kampagnen vorher nie, was angenommen wird. Hinter der Zusammen-Idee steht, dass wir die Fans aktivieren wollen. Es gibt den Song „Zusammen“von den Fantastischen Vier, und wir werden noch einige Aktivitäten starten. Wir geben in Russland 1000 Bälle in die Wohnsied- Doch, das habe ich durchaus überlegt. Sebastian Kehl wäre so ein Kandidat gewesen, doch der hat jetzt bei Borussia Dortmund einen Job angenommen. Auf der anderen Seite sehe ich durchaus einen großen Mehrwert, auch durch meine Nähe zu Joachim Löw, wenn ich weiter dicht am Team bleibe. Vor zehn Jahren habe ich so viele Dinge noch selber gemacht, für die es mittlerweile ein gutes Team gibt. Wir wollen und müssen noch mehr ehemalige erfolgreiche Spieler einbinden. Gerade erfolgreiche Mannschaften haben starke Persönlichkeiten. Spieler wie Sami Khedira und Mats Hummels sind bestimmt Typen, die dem Fußball nach ihrer aktiven Karriere etwas geben wollen.
Die Nationalmannschaft wird von den Fans gefeiert, der Verband als „Fußball-Mafia DFB“angefeindet. Wie fühlen Sie als DFB-Präsidiumsmitglied?
Ich versuche das nicht so persönlich zu nehmen, aber es tut schon weh, weil der DFB viele positive Dinge mit Leidenschaft macht. Der Verband besteht aus 26 000 Vereinen, das ist eine riesige Bewegung. Die Themen, für die der DFB oft in der Kritik steht, ergeben sich oft aus Urteilen und Strafen des DFB-Sportgerichts. Aber das ist zu kurz gedacht, der DFB tut unendlich viel im sozialen und gesellschaftlichen Bereich.
Wie denken Sie über den Video-Beweis, der bei dieser WM erstmals zum Einsatz kommt?
Ich bin trotz der Debatten ein Befürworter des Systems. Der Video-Beweis macht den Fußball gerechter. Man sollte dem System und den Menschen aber auch ein wenig Zeit geben. Dennoch bin ich mir bewusst, dass es immer Fehlentscheidungen geben wird. Ich wünsche mir bei diesem Thema aber konsequente Transparenz. Wir haben große Leinwände im Stadion. Das gehört für mich zum Erlebnis und zur Umsetzung dazu, strittige Szenen zu zeigen und zu erklären.
DAS INTERVIEW FÜHRTE MARCEL SCHWAMBORN