Premiere im Bundestag: „Grill die Kanzlerin“
bringt Provokationen, Nervosität und ein paar neue Erkenntnisse über Plastik, Dieselaffäre und Frauenquote
BERLIN - Nervös wirkten sie alle. Selbst Angela Merkel. Wie ein Schulmädchen stand die Kanzlerin gestern eine Stunde lang an ihrem Platz auf der Regierungsbank und beantwortete brav 30 mehr oder weniger zufällige Fragen der Abgeordneten. In dieser Form eine Premiere. Der Bundestag soll damit interessanter werden.
Die Regeln erinnerten an die Schnellrate-Runde in einer Quiz-Show: Abgeordnete stellen eine Frage, für die sie maximal 60 Sekunden hatten. Die Kanzlerin muss in derselben Zeit antworten. Ergibt 30 Fragen und Antworten. Und diese reichten von Diesel-Nachrüstungen auf Kosten der Industrie („Sehe ich noch Gesprächsbedarf“) über eine PlastikSteuer („Bin ich noch nicht überzeugt“) bis zum Verhältnis zu Russland („Bin für Gespräche – aber mit Blick auf die Differenzen, die wir haben“). Aber auch Wohnungsnot, Leiharbeit, EUSchnell-Kredite oder die relativ geringe Frauenquote im Bundestag („Ich glaube, das bedauern auch die Männer“) waren Themen.
Und natürlich die Flüchtlingspolitik. Bisher hatte es Merkel in Diskussionen im Bundestag vermieden, in diesem Punkt überhaupt direkt auf die AfD einzugehen. Diesmal konnte sie nicht anders. Sie ließ sich dabei auch nicht aus der Ruhe bringen, als ein AfD-Abgeordneter davon brüllte, dass Merkel „ohne Not“eine „Migrantenflut“ins Land gelassen hätte, die „schweren Schaden“zugefügt hätte und „hunderte Milliarden“kosten würde und mit der Frage schloss, wann sie zurücktrete. Die Bundesregierung habe in einer „humanitären Ausnahmesituation sehr verantwortungsvoll“gehandelt, vertei-
digte sie sich ruhig und wies dann auf die erfolgten Gesetzesverschärfungen hin.
Und auch die Missstände in der Asylbehörde BAMF kamen zur Sprache. Merkel verteidigte das Vorgehen mit dem Hinweis, sie sei es doch gewesen, die den Behördenchef Frank-Jürgen Weise installiert habe, um eben diese Missstände zu beseitigen.
Gerade beim Thema BAMF kamen die Mängel dieser „Grill die Kanzlerin“Stunde zum Vorschein: Die Themen gingen durcheinander, eine Bündelung wäre besser gewesen. Und Nachfragen waren auch nicht möglich. Dazu gibt es bald die Möglichkeit. Kanzler sollen künftig drei Mal pro Jahr befragt werden, Minister (womöglich) einmal. Einige Abgeordnete hätten wohl gerne noch weitergefragt und murrten zum Schluss etwas. Merkel hatte Trost: „Ich komme ja wieder.“