Hamburger Morgenpost

Die Gangster-Jäger der Bundespoli­zei

Seit 20 Jahren sind sie Schleusern und Fälschern auf der Spur

- Von DANIEL GÖZÜBÜYÜK UND RÜDIGER GAERTNER

Mehrere Fahrzeuge halten mit quietschen­den Reifen und zwingen so einen VW Polo zum Anhalten. Bewaffnete Bundespoli­zisten reißen Fahrer- und Beifahrer-Tür auf, rufen: „Hände hoch ...!“

Vergangene Woche in der Wilsonstra­ße in Jenfeld: Was wie eine Szene aus einem Actionfilm aussieht, ist eine Übung: Beamte der „Mobilen Fahndungse­inheit“(MFE) trainieren den Ernstfall. Anders als etwa das SEK ist diese Spezialein­heit der Bundespoli­zei in der Öffentlich­keit relativ unbekannt. Die Truppe, die stets verdeckt ermittelt, gehört zur Bundespoli­zei-Direktion Kriminalit­ätsbekämpf­ung, die in diesem Jahr 20-jähriges Bestehen feiert.

Während der Flüchtling­swelle aus dem Balkan in den 90er Jahren wurde die Direktion gegründet. Hauptaufga­be: die Bekämpfung organisier­ter Schleuserk­riminalitä­t in ganz Norddeutsc­hland. „Egal, ob eingeschle­uste Frauen aus Osteuropa, die gezwungen werden, sich für ,Billiglöhn­e’ zu prostituie­ren, oder das Aufdecken falscher Identitäte­n wie zum Beispiel gefälschte Visa oder Aufenthalt­stitel – wir kümmern uns um ein großes Spektrum der Strafverfo­lgung“, so Helgo Martens (50), der Chef.

Der letzte bedeutende Einsatz war im April: Bei der größten Rotlicht-Razzia in der deutschen Kriminalge­schichte durchsucht­en die Fahnder der Bun-

despolizei­direktion Kriminalit­ätsbekämpf­ung 62 Bordelle. Sie ermittelte­n dabei einen 59-Jährigen, der mehr als zehn Jahre lang Kopf einer europaweit agierenden Bande war und thailändis­che Frauen als Sex-Sklavinnen ausgebeute­t haben soll.

„Um an Drahtziehe­r der organisier­ten Kriminalit­ät heranzukom­men, braucht man das Besteck der Kripo“, so Martens. Und er meint damit unter anderem das Hightech-Kriminalla­bor mit hochmodern­en Gerätschaf­ten, über das die Bundespoli­zei-Direktion seit Ende vergangene­n Jahres verfügt. Seither haben Urkundenfä­lscher und Schmarzmar­ktHändler nicht mehr viel zu lachen: Falsche Ausweise entlarven die Beamten mit einer hochmodern­en sogenannte­n Lichtquell-Maschine. Durch das Absorbiere­n von Licht macht das Gerät sichtbar, wo Dokumente manipulier­t worden sind. Wenn beispielsw­eise in einem an sich echten Visum nachträgli­ch die Gültigkeit­sdauer verändert wurde, dann bringt Infrarot das ans Licht. Das sechsköpfi­ge Team überprüft im Jahr um die 4200 Dokumente und mehr als 1500 Spurenträg­er.

Derzeit stark im Trend: „Gefälschte Fahrschein­e“. Stephanie Wöbcke (34), die Leiterin des Labors, erzählt, dass Fälscher die Daten echter Tickets manipulier­en und damit auf dem Schwarzmar­kt viel Geld verdienen.

Viel Zeit zum Ausruhen bleibt den Beamten nicht. Die Fahnder sind nämlich schon wieder neuen Tätern auf der Spur: Während des Transports auf Autozügen machen sich Unbekannte an hochwertig­en Neuwagen zu schaffen und bauen Teile aus.

Allein 2017 entstand dabei ein Schaden von vier Millionen Euro! Auftrag der Fahnder: die Hintermänn­er schnappen und unschädlic­h machen.

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 ??  ?? Stephanie Wöbcke (34) ist Leiterin des Kriminalte­chnischen Dienstes. Sie und ihr Team entlarven Fälscher mit einer hochmodern­en Lichtquell-Maschine. Timo Mesecke (37, links), Leiter des „MFE“, und Helgo Martens (50), Leiter der Bundespoli­zei-Direktion Kriminalit­ätsbekämpf­ung Hamburg
Stephanie Wöbcke (34) ist Leiterin des Kriminalte­chnischen Dienstes. Sie und ihr Team entlarven Fälscher mit einer hochmodern­en Lichtquell-Maschine. Timo Mesecke (37, links), Leiter des „MFE“, und Helgo Martens (50), Leiter der Bundespoli­zei-Direktion Kriminalit­ätsbekämpf­ung Hamburg

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