Die Gangster-Jäger der Bundespolizei
Seit 20 Jahren sind sie Schleusern und Fälschern auf der Spur
Mehrere Fahrzeuge halten mit quietschenden Reifen und zwingen so einen VW Polo zum Anhalten. Bewaffnete Bundespolizisten reißen Fahrer- und Beifahrer-Tür auf, rufen: „Hände hoch ...!“
Vergangene Woche in der Wilsonstraße in Jenfeld: Was wie eine Szene aus einem Actionfilm aussieht, ist eine Übung: Beamte der „Mobilen Fahndungseinheit“(MFE) trainieren den Ernstfall. Anders als etwa das SEK ist diese Spezialeinheit der Bundespolizei in der Öffentlichkeit relativ unbekannt. Die Truppe, die stets verdeckt ermittelt, gehört zur Bundespolizei-Direktion Kriminalitätsbekämpfung, die in diesem Jahr 20-jähriges Bestehen feiert.
Während der Flüchtlingswelle aus dem Balkan in den 90er Jahren wurde die Direktion gegründet. Hauptaufgabe: die Bekämpfung organisierter Schleuserkriminalität in ganz Norddeutschland. „Egal, ob eingeschleuste Frauen aus Osteuropa, die gezwungen werden, sich für ,Billiglöhne’ zu prostituieren, oder das Aufdecken falscher Identitäten wie zum Beispiel gefälschte Visa oder Aufenthaltstitel – wir kümmern uns um ein großes Spektrum der Strafverfolgung“, so Helgo Martens (50), der Chef.
Der letzte bedeutende Einsatz war im April: Bei der größten Rotlicht-Razzia in der deutschen Kriminalgeschichte durchsuchten die Fahnder der Bun-
despolizeidirektion Kriminalitätsbekämpfung 62 Bordelle. Sie ermittelten dabei einen 59-Jährigen, der mehr als zehn Jahre lang Kopf einer europaweit agierenden Bande war und thailändische Frauen als Sex-Sklavinnen ausgebeutet haben soll.
„Um an Drahtzieher der organisierten Kriminalität heranzukommen, braucht man das Besteck der Kripo“, so Martens. Und er meint damit unter anderem das Hightech-Kriminallabor mit hochmodernen Gerätschaften, über das die Bundespolizei-Direktion seit Ende vergangenen Jahres verfügt. Seither haben Urkundenfälscher und SchmarzmarktHändler nicht mehr viel zu lachen: Falsche Ausweise entlarven die Beamten mit einer hochmodernen sogenannten Lichtquell-Maschine. Durch das Absorbieren von Licht macht das Gerät sichtbar, wo Dokumente manipuliert worden sind. Wenn beispielsweise in einem an sich echten Visum nachträglich die Gültigkeitsdauer verändert wurde, dann bringt Infrarot das ans Licht. Das sechsköpfige Team überprüft im Jahr um die 4200 Dokumente und mehr als 1500 Spurenträger.
Derzeit stark im Trend: „Gefälschte Fahrscheine“. Stephanie Wöbcke (34), die Leiterin des Labors, erzählt, dass Fälscher die Daten echter Tickets manipulieren und damit auf dem Schwarzmarkt viel Geld verdienen.
Viel Zeit zum Ausruhen bleibt den Beamten nicht. Die Fahnder sind nämlich schon wieder neuen Tätern auf der Spur: Während des Transports auf Autozügen machen sich Unbekannte an hochwertigen Neuwagen zu schaffen und bauen Teile aus.
Allein 2017 entstand dabei ein Schaden von vier Millionen Euro! Auftrag der Fahnder: die Hintermänner schnappen und unschädlich machen.