So treiben Sie richtig Sport
Ein Hamburger Arzt spricht über die Gefahren durch extreme Bewegung
Dr. Oliver Niggemeyer (49) ist Orthopäde, Unfallchirurg und Rheumatologe am Westklinikum in Rissen. Die MOPO sprach mit ihm darüber, weshalb viele Spitzensportler im Alter körperlich am Ende sind – und wie man sich gesund bewegt.
MOPO: Sport ist Mord, sagt der Volksmund. Das Beispiel Boris Becker beweist, wie wahr dieser Satz ist, oder?
Dr. Oliver Niggemeyer: Nein, Sport ist nicht Mord. Es kommt auf die Dosierung an. Wenn jemand in exzessiver Weise Leistungssport betreibt, wie Boris Becker das gemacht hat, dann ist das tatsächlich nicht unbedingt gesundheitsförderlich. Sport als Hobby zu betreiben, ist dagegen sehr empfehlens- wert, denn er hat lebensverlängern- de Wirkung, vorausgesetzt, ein paar Grundregeln werden beachtet.
Worauf sollte man achten, was sollte man auf keinen Fall tun? Bleiben wir beim Beispiel Boris Becker: Der hatte eine unheimlich große Begabung fürs Tennis, hat super gespielt. Aber was seine Konstitution angeht, so muss man feststellen, dass er mit seiner athletischen Spielweise immer eine sehr hohe körperliche Belastung eingegangen ist. Damit hat er sich auf Dauer einfach zu viel zugemutet. Neigung ist das eine. Daneben sollte jeder darauf achten, dass er für den Sport, den er machen will, auch die körperlichen Voraussetzungen mitbringt. Soll heißen: Mit der Konstitution eines SumoRingers werden Sie in der Leichtathletik nichts. Und sind Sie extrem zierlich, werden Sie sich im Boxen gegen Klitschko schwerlich behaupten können.
Wenn ich an Spitzensportler denke, die zu körperlichen Wracks geworden sind, fällt mir vor allem Bernd Kannenberg ein, der 1972 Gold im Gehen gewann und der sich heute wegen eines Hüftschadens ohne Schmerzmittel nicht fortbewegen kann ...
Kannenberg ist ein gutes Beispiel: Der Bewegungsablauf der Sportgeher ist alles andere als natürlich – schon weil die Statuten vorschreiben, dass immer ein Fuß am Boden zu sein hat. Das ist Gift für den Körper. Dass ein Mensch, der einen solch physiologisch bedenklichen Sport ausübt, im Alter Probleme bekommt, kann eigentlich niemanden überraschen. Es gibt aber auch Sportarten wie etwa das Radfahren, das eine viel geringere physiologische Belastung darstellt, und deshalb war ein Mann wie Radrennlegende Rudi Altig bis ins hohe Alter extrem rüstig.
Ich habe einen Menschen im Freundeskreis, der ziemlich übergewichtig ist, nie Sport gemacht hat. Plötzlich hat er begonnen, täglich um die Alster zu rennen. Alles soll anders werden. Ist das eine gute Idee?
Gute Vorsätze können einen ganz schön in die Sackgasse bringen. Einer, der – sagen wir – 140 Kilo auf die Waage bringt, wird nicht zum Marathonläufer, jedenfalls nicht über Nacht. Ich kann Leuten, die anfangen wollen mit Sport, nur raten, dass sie erst mal einen Arzt fragen oder sonst jemanden, der sich auskennt. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass es sehr schädlich ist, wenn – wie bei übergewichtigen Menschen – ein Übermaß an Kräften auf Gelenke und Knochen einwirkt.
DAS INTERVIEW FÜHRTE OLAF WUNDER