Merkel in der Asyl-Falle
MACHTKAMPF IN UNION Kanzlerin in der eigenen Fraktion zunehmend isoliert
BERLIN - Die CSU gibt keinen Millimeter nach, Angela Merkel auch nicht. Die Kanzlerin kämpft in der Frage „Zuweisung von Flüchtlingen“weiter um ihre Politik der offenen Grenzen. Doch damit war sie am Vortag in der Unionsfraktion weitgehend isoliert. Merkel-Kritiker in der eigenen Partei wie Christian von Stetten fordern inzwischen offen eine Kampfabstimmung. Dabei dürfte Merkel verlieren – und Horst Seehofer triumphieren. Auch gestern setzte sich der Streit mit aller Härte fort. Nur die Merkel-Unterstützer Annegret Kramp-Karrenbauer und Daniel Günther (Ministerpräsident von Schleswig-Holstein) schlugen sich auf ihre Seite. Die CSU-Spitze blieb kompromisslos, forderte eine „Asylwende jetzt“.
➤ Was will Merkel? Die Kanzlerin möchte ein einheitliches europäisches Asylrecht, das überall gleich angewandt wird. Dies würde aber torpediert, wenn
Deutschland einseitig die Zurückweisung von bereits registrierten Flüchtlingen an der Grenze einführen würde. Der Vorschlag Seehofers würde nach Günthers Einschätzung „in der Praxis auch nichts bewirken. Dann würden sich die Menschen in anderen Ländern gar nicht mehr registrieren lassen. Dann wäre das alles für die Katz, was Herr Seehofer dort vorschlägt.“Er halte das für den falschen Weg.
➤ Was will die CSU? Sie pocht darauf, das europäische „Dublin-III-Verfahren“, das während der Flüchtlingskrise ausgesetzt wurde, wieder konsequent anzuwenden. Flüchtlinge müssten dort Asyl beantragen, wo sie erstmals in der EU registriert wurden, müssten also ins Ankunftsland zurück – nach Griechenland oder Italien, Österreich, Spanien, Malta. Seehofer will dazu die Fingerabdrücke der Migranten bereits an der Grenze prüfen lassen.
➤ Was hätte das für Folgen? Deutschland müsste scharfe Grenzkontrollen einführen und Aufnahmelager an den Grenzen einrichten, in denen jeder Migrant erkennungsdienstlich überprüft wird. Berlin müsste eine Menge Druck auf andere EU-Länder ausüben, damit sie diese die Flüchtlinge zurücknehmen.
➤ Was sagt das EU-Recht? Es ist keineswegs so eindeutig, wie die CSU behauptet. Dublin III sieht auch vor, dass Flüchtlinge nicht abgewiesen werden dürfen, wenn sie Familienangehörige in Deutschland haben oder minderjährig sind. Gelingt die Rücküberstellung ins EU-Aufnahmeland nicht binnen sechs Monaten, muss Deutschland ein eigenes Asylverfahren durchführen. ➤ Wie aktuell ist das Problem? Seehofer und der österreichische Kanzler Kurz wiesen gestern darauf hin, dass inzwischen über Albanien eine Alternativroute für Flüchtlinge nach Nordeuropa führe. Kurz sagte dazu, es gelte hier anders als 2015, früh zu reagieren.