Hamburger Morgenpost

Özil bleibt ein großes Rätsel

Mittelfeld-Star kehrt ins Training zurück, muss aber um seinen Stammplatz und seinen Ruf kämpfen

- SIMON BRAASCH s.braasch@mopo.de

Der erste Schritt zurück ist geschafft. Mit reichlich Spielfreud­e kehrte Mesut Özil am Mittwoch ins Teamtraini­ng der DFB-Asse zurück. Keine Spur mehr von den Kniebeschw­erden, die ihm kürzlich noch zusetzten. Und dennoch: Der Mittelfeld-Star vom FC Arsenal bildet das wohl größte Rätsel des deutschen WM-Kaders. Das scheint auch Bundestrai­ner Joachim Löw so zu sehen – und verweigert dem 29-Jährigen eine Stammplatz­garantie für den Auftakt gegen Mexiko.

Sah gut aus, die ganze Nummer. Ein Schlenkerc­hen hier, ein nettes Pässchen dort, zwischendu­rch sogar ein Beinschuss gegen Jerome Boateng. Ganz offensicht­lich fühlte Özil sich pudelwohl im

Kreise seiner Kollegen, heimste bei der öffentlich­en Trainingse­inheit sogar Applaus der etwa 500 russischen Anhänger ein. Tat ihm sicher gut. Doch das Problem um

Özil und seinen Teamkamera­den Ilkay Gündogan bleibt.

Özil ist in aller Munde, nur eben selten positiv, nach der Foto-Affäre mit dem türkischen Staatschef Erdogan, den Pfiffen der Fans und seinem Presseboyk­ott. Eine Situation, die die Mannschaft durchaus belasten kann. Wohl auch deshalb stellte Löw klar: „Mesut hat überhaupt keine körperlich­en Probleme mehr. Aber was die Aufstellun­g betrifft, werde ich mich noch nicht festlegen. Wir haben da einen großen Konkurrenz­kampf. Und wir werden sehen: Wer ist jetzt schon bereit – und wer etwas später.“

Damit ist klar: Özil tritt in Konkurrenz zu Julian Draxler und Marco Reus. Nur zwei der drei Offensivsp­ieler können gegen Mexiko ran. Gleich zum Start eine richtig schwere, harte Entscheidu­ng, die Löw da fällen muss.

Überhaupt wird der Bundestrai­ner die Tage bis zum Auftakt am Sonntag dazu nutzen, herauszufi­nden, ob Özil und auch Gündogan zurzeit eher Ballast oder eine Hilfe für die Mannschaft sind. Fast schon resigniert stellt er fest: „Es kann sein, dass sie weiter von Pfiffen begleitet werden. Dann ist es so – auch wenn wir uns das natürlich nicht wünschen.“

Die Ressentime­nts vieler deutscher Fans gegen die beiden türkischst­ämmigen Spieler sorgen auch bei Reinhard Grindel täglich für neue Sorgenfalt­en. „Wir müssen annehmen, dass es in unserem Land Probleme gibt, die weit über den Fußball hinausgehe­n“, erklärte der DFB-Präsident. „Die Ursachen liegen deutlich tiefer.“Damit unterstell­te der höchste Kopf des Verbandes zahlreiche­n Menschen in Deutschlan­d recht offen eine veränderte Einstellun­g zu Immigrante­n. „Durch die Zuwanderun­gen im Jahr 2015 hat sich etwas geändert. Die Menschen sehen Probleme. Sie erwarten Bekenntnis­se zu Werten und unserem Land.“

Özil hingegen möchte einfach nur Fußball spielen. Auch deshalb verweigert er jeden Kommentar zu dem Wirbel um ihn – und verpasste damit die Chance, Dinge geradezurü­cken. Ein Verhalten, mit dem Özil den Start des DFB-Teams bei dieser WM belastet. „Wenn er schon in Interviews keine Antwort geben will, dann vielleicht auf dem Platz“, merkte Grindel etwas spitzzüngi­g an.

Fragt sich nur, ob Löw Özil auch tatsächlic­h ran lässt.

Wir werden sehen: Wer ist jetzt schon bereit – und wer etwas später. Joachim Löw

Wenn er schon in Interviews keine Antwort geben will, dann vielleicht auf dem Platz. Reinhard Grindel

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Mesut Özil (l., gegen Marvin Plattenhar­dt) kehrte gestern auf den Trainingsp­latz zurück.
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