Özil bleibt ein großes Rätsel
Mittelfeld-Star kehrt ins Training zurück, muss aber um seinen Stammplatz und seinen Ruf kämpfen
Der erste Schritt zurück ist geschafft. Mit reichlich Spielfreude kehrte Mesut Özil am Mittwoch ins Teamtraining der DFB-Asse zurück. Keine Spur mehr von den Kniebeschwerden, die ihm kürzlich noch zusetzten. Und dennoch: Der Mittelfeld-Star vom FC Arsenal bildet das wohl größte Rätsel des deutschen WM-Kaders. Das scheint auch Bundestrainer Joachim Löw so zu sehen – und verweigert dem 29-Jährigen eine Stammplatzgarantie für den Auftakt gegen Mexiko.
Sah gut aus, die ganze Nummer. Ein Schlenkerchen hier, ein nettes Pässchen dort, zwischendurch sogar ein Beinschuss gegen Jerome Boateng. Ganz offensichtlich fühlte Özil sich pudelwohl im
Kreise seiner Kollegen, heimste bei der öffentlichen Trainingseinheit sogar Applaus der etwa 500 russischen Anhänger ein. Tat ihm sicher gut. Doch das Problem um
Özil und seinen Teamkameraden Ilkay Gündogan bleibt.
Özil ist in aller Munde, nur eben selten positiv, nach der Foto-Affäre mit dem türkischen Staatschef Erdogan, den Pfiffen der Fans und seinem Presseboykott. Eine Situation, die die Mannschaft durchaus belasten kann. Wohl auch deshalb stellte Löw klar: „Mesut hat überhaupt keine körperlichen Probleme mehr. Aber was die Aufstellung betrifft, werde ich mich noch nicht festlegen. Wir haben da einen großen Konkurrenzkampf. Und wir werden sehen: Wer ist jetzt schon bereit – und wer etwas später.“
Damit ist klar: Özil tritt in Konkurrenz zu Julian Draxler und Marco Reus. Nur zwei der drei Offensivspieler können gegen Mexiko ran. Gleich zum Start eine richtig schwere, harte Entscheidung, die Löw da fällen muss.
Überhaupt wird der Bundestrainer die Tage bis zum Auftakt am Sonntag dazu nutzen, herauszufinden, ob Özil und auch Gündogan zurzeit eher Ballast oder eine Hilfe für die Mannschaft sind. Fast schon resigniert stellt er fest: „Es kann sein, dass sie weiter von Pfiffen begleitet werden. Dann ist es so – auch wenn wir uns das natürlich nicht wünschen.“
Die Ressentiments vieler deutscher Fans gegen die beiden türkischstämmigen Spieler sorgen auch bei Reinhard Grindel täglich für neue Sorgenfalten. „Wir müssen annehmen, dass es in unserem Land Probleme gibt, die weit über den Fußball hinausgehen“, erklärte der DFB-Präsident. „Die Ursachen liegen deutlich tiefer.“Damit unterstellte der höchste Kopf des Verbandes zahlreichen Menschen in Deutschland recht offen eine veränderte Einstellung zu Immigranten. „Durch die Zuwanderungen im Jahr 2015 hat sich etwas geändert. Die Menschen sehen Probleme. Sie erwarten Bekenntnisse zu Werten und unserem Land.“
Özil hingegen möchte einfach nur Fußball spielen. Auch deshalb verweigert er jeden Kommentar zu dem Wirbel um ihn – und verpasste damit die Chance, Dinge geradezurücken. Ein Verhalten, mit dem Özil den Start des DFB-Teams bei dieser WM belastet. „Wenn er schon in Interviews keine Antwort geben will, dann vielleicht auf dem Platz“, merkte Grindel etwas spitzzüngig an.
Fragt sich nur, ob Löw Özil auch tatsächlich ran lässt.
Wir werden sehen: Wer ist jetzt schon bereit – und wer etwas später. Joachim Löw
Wenn er schon in Interviews keine Antwort geben will, dann vielleicht auf dem Platz. Reinhard Grindel