Hamburger Morgenpost

Che Guevara: Der ewige Guevara:

Heute wäre der legendäre Guerillafü­hrer 90 Jahre alt geworden

- Von MICHAEL OSSENKOPP

Das hohe Alter seiner ehemaligen Kampfgefäh­rten Fidel (starb 2016 mit 90) und Raúl Castro (heute 87) erreichte Che Guevara nicht, denn schon im Oktober 1967 schlägt er in Bolivien seine letzte Schlacht gegen den Imperialis­mus und wird hingericht­et – da ist er gerade mal 39. Der frühe Tod im Kampf gegen die „Reaktionär­e“lässt ihn allerdings zum Mythos werden. Auf Kuba gilt Ernesto Rafael Guevara de la Serna, genannt Che, bis heute als Volksheld.

Das „Time Magazine“zählte ihn zu den 100 einflussre­ichsten Menschen des 20. Jahrhunder­ts. Geboren am 14. Juni 1928 im argentinis­chen Rosario bereist Guevara nach seinem Medizinstu­dium Südamerika und wird Zeuge der dortigen sozialen Missstände. 1953 lernt er in Mexiko-Stadt den Exil-Kubaner Fidel Castro kennen und schließt sich dessen Rebellenbe­wegung an. „Ich werde für das Volk kämpfen“, lautet sein Credo und so landet er Ende 1956 mit 85 Gleichgesi­nnten auf Kuba. Nach dreijährig­em Kampf ist Diktator Fulgencio Batista vertrieben. Die Revolution hat gesiegt.

„Comandante Che“gehört nun zum Führungszi­rkel der neuen Machthaber. Für seine Anhänger verkörpert er Tugenden wie Menschlich­keit, Selbstlosi­gkeit und Solidaritä­t. Doch er hat auch eine andere Seite. Als Mitglied der Revolution­sgerichte lässt er mehr als 200 angebliche Konterrevo­lutionäre erschießen. Und als Industriem­inister und Notenbankc­hef ver-

staatlicht er in Kuba tätige US-Konzerne – und führt die Wirtschaft der Karibikins­el an den Rand des Zusammenbr­uchs. Guevara scheint nicht gemacht zu sein für die in bürokratis­chen Bahnen verlaufend­e Politik. Während Castro zum Staats- und Regierungs­chef aufsteigt, will Che den bewaffnete­n Kampf fortsetzen.

Und so tritt Guevara 1965 von allen Ämtern zurück und unterstütz­t die Rebellen im Kongo. Allerdings scheitert er auch hier. 1966 reist er mit 58 Mitstreite­rn – darunter die deutschstä­mmige Tamara Bunke – nach Bolivien. Hier will er den Guerillaka­mpf fortsetzen. Und scheitert erneut: Entgegen den hochgestec­kten Erwartunge­n bleibt die Unterstütz­ung durch die einheimisc­he Bevölkerun­g aus. Am 8. Oktober 1967 werden Guevara und seine Gefolgsleu­te bei La Higuera in einen Kampf mit bolivianis­chen Soldaten verwickelt. Der erschöpfte Comandante wird verwundet gefangen genommen. Da der bolivianis­che Präsident René Barrientos Ortuño um jeden Preis einen lange andauernde­n Prozess mit gewaltigem Medienrumm­el vermeiden will, gibt er den Befehl, Guevara am folgenden Tag ohne Gerichtsve­rhandlung zu exekutiere­n.

Ches Leiche wird per Hubschraub­er nach Vallegrand­e transporti­ert und dort in der Waschküche des Krankenhau­ses aufgebahrt und der Presse vorgeführt. Das Foto des toten Che Guevara – sein Anblick erinnert an Christus – geht um die Welt. Nach offizielle­n Angaben der Bolivianer war er im Kampf getötet worden. Erst Jahre später kommen die wahren Todesumstä­nde ans Licht. 1997 wird der Leichnam entdeckt und in ein Mausoleum nach Santa Clara auf Kuba überführt. Fidel Castro ordnete eine Woche Staatstrau­er an.

In der bundesdeut­schen Studentenb­ewegung der 1960er Jahre wurde Guevaras Rolle lange verklärt. Auch Wolf Biermann sang von „Jesus Christus mit der Knarre“, Jean-Paul Sartre nannte ihn den „vollständi­gsten Menschen unserer Zeit“.

Ches berühmtes Porträt mit dem traurigen Blick in die Ferne, dem wehenden Haar, dem dunklen Bart sowie der schwarzen Baskenmütz­e mit rotem Stern hing damals in fast jeder WG. Die Außerparla­mentarisch­e Opposition (APO) in West-Berlin demonstrie­rte mit dem Konterfei neben den Porträts von Ho Chi Minh und Mao Zedong unter anderem gegen den Mief bürgerlich­er Werte und den Vietnamkri­eg.

Im Laufe der Jahre hat das 1960 von Alberto Korda aufgenomme­ne Foto millionenf­ach Einzug in die kommerziel­le Verwertung gefunden. Es prangt auf Postern, Feuerzeuge­n, Tassen und T-Shirts. Der Mythos lebt. Fragen nach dem Ursprung treten dabei immer mehr in den Hintergrun­d.

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Präsentati­on nach der Exekution: Das Bild des toten Che Guevara ging um die Welt..
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Das berühmte Foto ziert heute zahlreiche Plakate und Shirts.
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Ein Jahr nach der Revolution sitzen Che Guevara und Fidel Castro (l.) auf einem FliegerStü­tzpunkt in San Julian.

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