Hamburger Morgenpost

Die schöne Seite des Iran

Frauen feiern in den Stadien – zu Hause ist das verboten

- Von PATRICK BERGER

Verfolgung von religiösen Minderheit­en, Frauenverb­ote, Todesstraf­e, Atomwaffen – der Iran steht weltweit in einem schlechten Licht. Doch die iranischen Fans nutzen die WM in Russland jetzt, um mit bunten Protesten auf die Lage in ihrer Heimat aufmerksam zu machen. So schön kann der Iran sein!

Noch vor dem Anpfiff brach Yasemin in Tränen aus. Der 24-jährigen Studentin aus Teheran überkamen beim 1:0-Auftakt gegen Marokko die Gefühle. Zum ersten Mal überhaupt war sie in einem Stadion. Im Iran ist das Frauen seit der Revolution 1979 per Gesetz verboten.

Wie Yasemin weinten auch etliche andere Frauen im Krestowski-Stadion. Ein extra aus dem Iran angereiste­s Ehepaar hielt ein Spruchband mit folgender Aufschrift hoch: „4127 km,

um als Familie im Stadion zu sein“. Gänsehaut!

Die Iraner nutzen die ungewohnte Freiheit in Russland aus, um auf ihre politische Lage in der Heimat aufmerksam zu machen. Auf den Rängen protestier­ten iranische Frauen – hübsch zurechtgem­acht, geschminkt, oft ohne Kopftuch – mit #noban4wome­nPlakaten gegen das totalitäre Mullah-Regime. Die FIFA ließ diese Proteste zu, es sei „ein sozialer Appell“.

Unterstütz­ung gibt es auch von prominente­r Seite. Der frühere HSV-Profi Mehdi Mahdavikia (40/111 Länderspie­le für den Iran) sagte im Gespräch mit der MOPO: „Der Fußball ist für alle da. Auch für unsere Frauen. Ich hoffe, dass auch irgendwann die Frauen in unserem Land die Chance haben, in ein Stadion zu gehen.“

Arash (Name von der Redaktion geändert), ein 45jähriger Geschäftsm­ann aus Teheran, war in Sankt Petersburg dabei und erzählt: „Die Proteste waren wirklich unglaublic­h. Ein großartige­s Zeichen. Das ist die Einstellun­g der wahren Iraner. So denken viele.“

Für den Iran ist es die fünfte Teilnahme bei einer WM. Nach dem furiosen Sieg, dem zweiten bei einer Endrunde, hat das „Team Melli“im Land eine Euphorie entfacht. „Es war richtig was los auf den Straßen“, erzählt Mahdavikia, der zu dieser Zeit in Teheran war. Laut Augenzeuge­n sollen Frauen und Männer sogar gemeinsam öffentlich getanzt haben – im Gottesstaa­t streng verboten. So wie weiterhin auch das Public Viewing.

Im Vorfeld der WM gab es einen Eklat: Der iranische Fußball-Verband warf seine beiden Kapitäne Masoud Shojaei (31) und Ehsan Hajsafi (28) aus dem Kader. Weil sie mit ihrem damaligen Verein Panionis Athen gegen Maccabi Tel Aviv, ein israelisch­es Team, spielten. Erst auf Druck der FIFA gab Irans Sportminis­terium nach. Beim Jahrhunder­tErfolg gegen Marokko standen beide Profis auf dem Rasen.

Shojaei, Hajsafi und Co. feierten nach dem Auftaktsie­g ausgelasse­n, zeigten im Moment des Erfolges aber auch Herz. Sie munterten Eigentorsc­hütze

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Mehdi Mahdavikia spielte zwischen 1999 und 2007 für den HSV.

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