Hamburger Morgenpost

„Die SPD-Basis darf man nicht fragen“

Der Altbürgerm­eister über die Krise seiner Partei, Kämpfe in der Hafenstraß­e und die gefährdete Demokratie

- Von MARTIN FISCHER

Er hat die Hafenstraß­e befriedet, hat BAföG eingeführt und die Raumfahrt neu geordnet. Und lange nach seiner Zeit als aktiver Politiker ist Alt-Bürgermeis­ter Klaus von Dohnanyi noch immer eine der wichtigste­n politische­n Stimmen der Hansestadt. Heute feiert er seinen 90. Geburtstag. Und fordert von der SPD-Spitze mehr Führungsst­ärke.

Entspannt sitzt der Altbürgerm­eister am Schreibtis­ch seines Arbeitszim­mers, blickt in den üppig bepflanzte­n Garten der Stadtvilla im noblen Harvestehu­de, wo er nur ein paar Schritte von der Alster entfernt mit seiner dritten Frau Ulla Hahn lebt. Weißes Hemd, gestreifte Krawatte, die blauen Augen unter den weißen Brauen hellwach.

Am 23. Juni 1928 in Hamburg geboren, ist der Jurist seit Jahrzehnte­n Teil des politische­n Prozesses. Ob als Bundestags­abgeordnet­er, als Bundesbild­ungsminist­er in den 70ern unter Kanzler Willy Brandt (SPD), Staatsmini­ster im Auswärtige­n Amt oder später als Bürgermeis­ter.

Der Chefposten im Rathaus, den er von 1981 bis zu seinem Rücktritt 1988 innehatte, ragt für ihn aus der Vielzahl von Aufgaben, Ämtern und Mandaten heraus. „Ich habe in meinem Leben ja sehr viel auch auf Bundeseben­e getan – BAföG eingeführt, den Airbus vorangebra­cht, unsere Raumfahrt neu geordnet.“Das sei alles sehr interessan­t gewesen. „Aber ich sage mal, das hier, diese sieben Jahre als Bürgermeis­ter, das war unvergleic­hlich.“

Er spricht von einer Zeit voller Anstrengun­g, voller Mühen, voller Risiken, voller Rückschläg­e und voller Erfolge. „Und wenn ich jetzt so durch die Stadt gehe, dann gibt es zum Beispiel Museen, an deren Existenz ich wesentlich beteiligt war. Es gibt

schon viele Dinge, die man hinterläss­t, so handfest hinterläss­t und eben nicht nur wie in der Bundespoli­tik meist auf abstrakter Ebene.“

Untrennbar mit seinem Namen verbunden ist der Konflikt um die Hafenstraß­e. Als nach teils gewalttäti­gen Protesten gegen den geplanten Abriss vielen in der Stadt eine Räumung der besetzten Häuser am Hafenrand bereits unausweich­lich schien, vermittelt­e Dohnanyi – es kam zur friedliche­n Lösung. „Was bleibt, sind immer solche symbolisch­en Handlungen. Und deswegen werden die Leute bei mir immer sagen: ,Der hat das dort befriedet.‘“

Neben dem Klimawande­l sieht der Altbürgerm­eister heute die wachsende Ungleichhe­it als Gefahr für die Gesellscha­ft. Bisher habe aber noch keine Demokratie eine Antwort darauf gefunden. „Das ist ein großes Problem. Ich denke, wir brauchen mehr Fantasie, um die Demokratie dennoch zu erhalten.“

Angesichts des Umfragetie­fs der SPD fordert Dohnanyi von der Parteispit­ze Führungsst­ärke. Die Meinung der Parteibasi­s dürfe dabei nicht im Mittelpunk­t stehen. „Die Partei hat ein Problem, wenn sie der Meinung ist, dass ihre Mitglieder sagen können, wie man die Partei wieder auf die Beine stellt.“

Die SPD habe bei der Bundestags­wahl im September nur 20,5 Prozent bekommen. „Es geht um diejenigen, die uns nicht gewählt haben.“Die SPD müsse zusätzlich fünf Millionen Wähler erreichen. Bei einem Ortsverein zu fragen sei deshalb „völlig überflüssi­g“: „Die können uns gar nichts sagen.“

Parteichef­in Andrea Nahles und Bundesfina­nzminister und Vizekanzle­r Olaf Scholz würden „das schon voranbring­en“. „Aber sie müssen sich davon lösen, dass sie von den Mitglieder­n die Erkenntnis bekommen, die sie brauchen.“

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Feiert heute seinen 90. Geburtstag und zählt noch immer zu den wichtigste­n politische­n Stimmen der Stadt: Altbürgerm­eister Klaus von Dohnanyi

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