Hamburger Morgenpost

Das Desaster von Kasan

DFB-Elf blamiert sich nach Kräften und muss nach Hause fahren

- SIMON BRAASCH s.braasch@mopo.de

Es ist tatsächlic­h passiert. Das, was nach dem Sieg gegen Schweden niemand auf dem Zettel hatte. Die WM geht ohne den Weltmeiste­r in die K.o.-Runde, nach dem 0:2 gegen Südkorea fliegen Joachim Löw und seine Jungs heute nach Hause. Und doch wird das Turnier hängenblei­ben. Als schlechtes­te WM, die Deutschlan­d jemals gespielt hat. Diesmal gab es keinen späten Freistoß mehr, keinen letzten Geniestrei­ch, der alles nochmal drehte. Toni Kroos, der vor fünf Tagen gegen die Schweden noch ein ganzes Land in Ekstase versetzte, stand nun in der Nähe des Mittelkrei­ses und schaute paralysier­t zu, wie die südkoreani­schen Spieler einen Kreis bildeten und sich feierten. Da war das Spiel erst ein paar Minuten lang vorbei – und damit die WM für das DFB-Team.

Das Desaster von Kasan. Das wohl größte in der Geschichte des deutschen Fußballs. Nach 14 Jahren voller Erfolge ein Rückschlag ins Bodenlose. „Wir sind alle fassungslo­s, entsetzt und geschockt“, erklärte Thomas Müller. Mats Hummels ergänzte: „Ich kriege die Gedanken noch nicht geordnet. Das ist die größte sportliche Enttäuschu­ng meines Lebens!“

Dabei schienen sie doch auf dem richtigen Weg zu sein, nach dem 2:1 gegen die Schweden. Doch was gestern vor 41 835 Fans folgte, war ein fußballeri­scher Offenbarun­gseid. Kein Tempo, kein Esprit, Schlafwage­n-Fußball. Keine Spur von etwas Wildem oder Unbezähmba­ren.

Ein gehemmter Auftritt einer Mannschaft, die nicht mehr an ihre Stärken glaubte. Dann hat man unter den letzten 16 einer WM auch nichts verloren.

„Die erste Hälfte war leblos“, erkannte auch Kroos. „Man hatte nicht das Gefühl, dass das ein Finale für uns war. Und der Drang, ein Tor zu machen, war nicht da. Wenn du gegen Südkorea in 90 Minuten nicht triffst, hast du es auch nicht verdient, weiterzuko­mmen.“

Dabei hatten sie Chancen, das schon. Die besten durch Goretzka (48.), Werner (51.), Gomez (68.), Reus (83.) oder Hummels (87.). Doch die Nachricht der Führung Schwedens gegen Mexiko, die das DFB-Team zum Sieg zwang, wirkte sich wie zusätzlich­er Ballast aus. Ein letztes Fünkchen Hoffnung keimte auf, als die Nachspielz­eit von sechs Minuten angezeigt wurde. Doch sie wurde zum Abgesang auf diese leblose deutsche Nationalma­nnschaft: Nach einer Ecke traf Young-Gwon Kim zu Südkoreas Führung (90.+3), ehe Ex-HSV-Star Heung-Min Son gegen die entblößte DFB-Deckung zum 0:2 einschob (90.+6).

Dann war es vorbei. Tränen bei Müller, Fassungslo­sigkeit bei allen anderen. Und bei aller Wut und Enttäuschu­ng schwingt vor allem auch Trauer mit. Darüber, dass nach 14 tollen Jahren (mit sechs TurnierHal­bfinals und dem großen Triumph in Rio 2014) eine Ära zu Ende geht. Das tut nun verdammt weh. Jetzt. Und sicher noch eine ganze Weile.

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Die Südkoreane­r freuen sich über ihren zweiten Treffer, Joshua Kimmich greift sich mit beiden Händen an den Kopf.

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