Hamburger Morgenpost

Mein Kampf um die Karten

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Es gab schon leichte Proteste aus der Heimat. „Wir erwarten Post“, hieß es von meiner Herzdame. Man braucht ja was für die Wand und wann kommt schon mal ein Kärtchen aus Russland. Aber so leicht ist das nicht. Und die Zeit läuft mir davon – denn nun heißt es für mich bald: Tschüs, Russland.

Ich habe ja alles versucht. In Moskau, wo die Frage nach Postkarten bislang immer mit einem Gesichtsau­sdruck beantworte­t wurde, den wohl nur die Moskowiter drauf haben, dieser Blick, der dir das Gefühl gibt, der letzte Idiot der Welt zu sein. Die müssen gar nichts sagen, denen reicht dieser Blick, dann weißt du, was sie denken. Keine Postkarten. Dann eben in Sotschi. Bei mehr als 30 Grad kämpfe ich mich von Laden zu Laden und erlebe Erstaunlic­hes. Postkarten? Ja, ja, sagt die Verkäuferi­n, „podozhdite“, einen Moment. Endlich Postkarten, denke ich. Dann kommt sie wieder und reicht mir strahlend einen Fußball. Entnervt ziehe ich ab. Aber in Kasan muss doch was gehen. Dazu muss ich erwähnen: Zumeist habe ich zwei Kollegen im Schlepptau, deutlich jünger als ich, einer aus Rosenheim, der andere aus Hürth bei Köln. Die sind natürlich über jeden weiteren Tag, den sie in Russland bleiben dürfen, froh, das verstehe ich. „Ich muss Postkarten suchen“, sage ich den beiden am Flughafen, sie sagen:

„Was?“, und ich wiederhole: „POST-KAR-TEN!“Niemals zuvor wurde ich derart ausgelacht, die beiden liegen heute noch da auf der Bank und kringeln sich. Die Lektion habe ich gelernt. Postkarten schreiben, das ist scheinbar wie in der Telefonzel­le telefonier­en. Oder Walkman hören. Ist mir aber egal. Doch auch in Kasan, dieser hübschen, kleinen Perle, erstmal keine Besserung – doch dann, wie aus dem Nichts, sind sie da: zwölf Postkarten im Verbund! Ich greife sofort zu. Und doch geht meine Suche weiter. Da ist nämlich noch die Sache mit den Briefmarke­n. So schwer zu finden wie Postkarten. Muss ich nun in Moskau suchen, vor meiner Abreise. Also, liebe Leute daheim: Mit viel, viel Glück gibt’s bald Post aus Kasan. Mit einer Briefmarke aus Moskau. Aber vorher haben wir uns eh schon wieder gesehen. Das ist Fußball.

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Überall das gleiche Bild: viele Souvenirs – keine Postkarten

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