Hamburger Morgenpost

Kommt es heute doch zum großen Knall?

CSU beharrt bei Asyl auch nach EU-Gipfel auf nationalen Maßnahmen

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Reicht es oder reicht es nicht? Das Gezerre um die Deutungsho­heit über die EU-Gipfelbesc­hlüsse ist in vollem Gange. Während Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ein ganzes Maßnahmenb­ündel in der Asylpoliti­k präsentier­t, beharren CSU-Politiker auf nationalen Alleingäng­en. Kommt es heute zum großen Knall?

Asylbewerb­er, die bereits in anderen EU-Ländern registrier­t sind, sollen künftig in den geplanten speziellen „Ankerzentr­en“untergebra­cht werden. Das geht aus einem Brief der Kanzlerin an die Partei- und Fraktionsc­hefs von SPD und CSU hervor. Die betreffend­en Flüchtling­e sollen dort ein beschleuni­gtes Asylverfah­ren durchlaufe­n und Auflagen erhalten, die verhindern,

dass sie sich aus den Einrichtun­gen entfernen können.

Die Bundesregi­erung soll von 14 EU-Ländern Zusagen für schnellere Rückführun­gen von Flüchtling­en bekommen haben. Doch die Lage bleibt undurchsic­htig: Tschechien stritt am späten Nachmittag ab, Merkel eine derartige Zusage gegeben zu haben. Man lehne Verhandlun­gen entschiede­n ab. Auch Ungarns Ministerpr­äsident Viktor Orbán bestritt eine Einigung: „Das ist eine gewöhnlich­e Zeitungsen­te.“

Könnte die CSU zu einer europäisch­en Lösung „Nein“sagen? Die Signale sind höchst unterschie­dlich. CSU-Vize und Europaabge­ordneter Manfred Weber erklärt: „Merkel hat geliefert.“Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) wird sich frühestens

heute äußern. Er lässt Beamte seines Ministeriu­ms die Gipfel-Ergebnisse prüfen. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) äußerte sich hingegen

bereits gestern: „Natürlich ist das, was in Brüssel erreicht wurde, mehr als ursprüngli­ch gedacht“, sagte er. Die Ergebnisse gingen in die richtige Richtung. Ohne den Druck der CSU und des Freistaats wären die Gipfelbesc­hlüsse jedoch nicht zustande gekommen, so Söder. „Bayern hat da sehr viel bewegt.“

Allerdings: Zugleich betonte der CSU-Politiker, dass die Brüsseler Ergebnisse nationale Maßnahmen gestattete­n. Deutschlan­d müsse nun selbst handeln. Abschiebun­gen müssten konsequent­er angegangen werden, an der Grenze müsse man vernünftig operieren können. In ein ähnliches Horn stieß auch CSULandesg­ruppenchef Alexander Dobrindt. Der Gipfel habe den CSU-Kurs bestätigt, „europäisch­e Lösungen und nationale Maßnahmen zu verbinden“. Angela Merkel widersprac­h dieser Auslegung der CSU gestern ausdrückli­ch.

Für den Parteienfo­rscher KarlRudolf Korte ist keineswegs sicher, ob die Ergebnisse des EUGipfels einen Bruch der Koalition verhindern: „Es könnte ausreichen, aber wir sind nicht sicher, weil im Moment auch das Unvorstell­bare einfach passieren kann, ohne dass es einer will.“Nach den normalen Regeln der Politik müsse die Koalition eigentlich zusammenbl­eiben. Dem Streit zwischen CSU und CDU hafte aber auch etwas Irrational­es an. Und die zentrale CSU-Forderung, registrier­te Flüchtling­e an der Grenze zurückzuwe­isen, werde auch durch den Gipfel nicht erfüllt. Bleibe die CSU bei ihrer Logik, müsste sie eigentlich „Nein“sagen.

Heute Nachmittag kommen die Präsidien von CDU und CSU getrennt voneinande­r zusammen, um die Gipfelbesc­hlüsse zu bewerten.

Im Moment kann auch das Unvorstell­bare passieren, ohne dass es einer will. Parteienfo­rscher Karl-Rudolf Korte

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Die Zeit läuft im Unionsstre­it ab. Im Hintergrun­d die genervt wirkende Justizmini­sterin Katarina Barley (SPD)

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