Wochen, die hängen bleiben werden
Das war es dann für mich in Russland. Genau drei Wochen, aber zwei weniger als erwartet. Sie werden hängen bleiben, so oder so.
Es sind die kleinen, feinen Geschichten, die du nicht vergisst, wenn du auf Reisen warst. Meine spielt in einer Hochhaussiedlung im Moskauer Vorort Butovo. Irgendetwas mit dem Boiler in meiner Wohnung ist nicht in Ordnung, die Vermieterin will sich darum kümmern, während ich außer Haus bin. Einen Tag zuvor sind mir an einer Hose zwei Knöpfe abgegangen. Sie liegt hier, über einem Stuhl, die Knöpfe auf dem Tisch. Irgendwann piept mein Handy, Post von der Vermieterin. Ein Foto. Die Hose, mit angenähten Knöpfen. Ob das so okay sei, fragt sie. Mit einem Smiley. So sind sie hier, die Menschen. Sie fragen nicht, sie machen.
Drei Wochen Russland also.
Viele Erfahrungen. Niemals Unbehagen. Um es klar zu sagen: Ich bilde mir nicht ein, nach drei Wochen alles über dieses Land zu wissen und es abschließend beurteilen zu können. Das wäre töricht. Nicht jede Mutti hier näht ungefragt Knöpfe an. Und ganz sicher habe ich nicht alles gesehen, was man sehen sollte, aber vielleicht gar nicht sehen möchte. Die dunklen Seiten. Was ich aber sah und erlebte, sind überaus
freundliche Menschen. Sie lachen vielleicht nur nicht so oft wie wir, das ist alles. Man muss etwas genauer hinsehen.
Was auffällt: Sie lassen dich nicht im Stich, wollen helfen. Auch wenn du zwei Minuten vergeblich ansetzt, weil du ihre Sprache nicht sprichst. Sie löchern dich dann, mit Händen und Füßen, bis klar ist, was beide wollen. Ein Dutzend Mal erlebt, mit dem Tankwart, dem Taxifahrer, der Verkäuferin. Die Mühe, einander zu helfen, ist spürbar.
Klar, gibt auch Ausnahmen. Der Kerl in der Wohnung neben mir ist so eine. EIN MAL kann ich ausschlafen, da holt er um 8.30 Uhr die Bohrmaschine raus und macht zwei Stunden Radau. Ich war kurz davor, an seiner Tür zu klopfen. In Gedanken hab’ ich’s gemacht, ihm die Bohrmaschine entrissen und vom Balkon geschmissen. So! Und tschüs! Nur die Sprachbarriere und mein morgendliches Aussehen hielten mich davon ab. Aber Nervensägen gibt es ja überall. Womit wir beim Thema wären: Es ist ein merkwürdiges Gefühl, abreisen zu müssen. Jetzt, wo die WMParty hier doch erst so richtig beginnt. Also, ihr Khediras, Kimmichs und Müllers da draußen, hört gut zu: Ich bin ernsthaft beleidigt. Macht sowas nicht nochmal!