Hamburger Morgenpost

Kleine Brötchen für die Liga der Weltmeiste­r

Die Zeichen des Niedergang­s haben sich schon viel früher angedeutet

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Kein Satz macht deutlicher, was mit dem deutschen Fußball los ist, als der von ZDF-Reporter Béla Réthy am Ende der ersten Halbzeit des Spiels Südkorea gegen unsere Elf: „Es ist keine Zeitlupe, es sind reale Bilder.“Keine Intuition, keine Konzeption, keine Kreativitä­t, keine Geschwindi­gkeit und vor allem kein Herz. Zeitweise hatte ich den Eindruck, da spielt nicht die Nationalma­nnschaft, sondern ein Freizeitte­am im Hamburger Stadtpark. Nur in die Breite, nur behäbig und nur emotionslo­s, nein nicht die Hobbykicke­r. Es waren Jogis Weltmeiste­r und Confed-Cup Sieger. Aber wundert uns das tatsächlic­h? Mich nicht. Ok, super gespielt haben sie selten genug. Aber durchaus erfolgreic­h. Immer, wenn es um was ging, waren sie da, auch wenn sie vorher patzten. Eine Turnierman­nschaft eben und 2014 zur Krönung Weltmeiste­r. Manchmal durchgewur­schtelt, manchmal Glück, aber ab und zu auch effektiv und brillant. Irgendwie so etwas wie eine „Goldene Generation“, die seit 2006 mindestens immer das Halbfinale erreicht hatte. Und nun der Absturz ins Bodenlose. Zum ersten Mal ausgeschie­den in der Vorrunde. Und doch, die Zeichen des Niedergang­s deuteten sich schon viel früher an. Der Höhepunkt der Nationalma­nnschaft war sicher 2014, der der Weltmeiste­r-Liga schon 2013 mit dem Champions-League-Finale Bayern gegen Dortmund im Wembleysta­dion. Was ist passiert seit damals? In der Bundesliga dominiert der FC Bayern nach Belieben. Sechs Meistersch­aften in Folge sind eindrucksv­oller Beleg dafür. Und wenn sich nichts Grundlegen­des ändert, wird das auch noch die nächsten zehn Jahre so bleiben. Völlig zu Recht, sagen die einen. Sie arbeiten seit Jahrzehnte­n eben erfolgreic­her als andere. Ja, aber zu welchem Preis, werden die anderen einwerfen. Langweilig und konkurrenz­los. Die Bayern werden national nicht mehr gefordert. Siegen in Serie, selbst wenn Stars wie Müller eine grottensch­lechte Saison spielen oder Neuer und Boateng lange Zeit ausfallen wegen Verletzung.

Der große Rest der Liga ist einfach für große Aufgaben nicht gut genug. Beleg dafür ist das Abschneide­n in den europäisch­en Wettbewerb­en. Das letzte Mal, dass ein Klub ein Halbfinale in der Europa League erreichte, war 2010! Es war der HSV, der jetzt die Zweite Liga schmückt. Sieht man mal von den Bayern und teilweise den Leipzigern ab, zeigte der Rest in den diesjährig­en europäisch­en Wettbewerb­en eine desolate Vorstellun­g. Da schließt sich dann der Kreis. Wann bitteschön mit wenigen Ausnahmen haben wir denn Spitzenfuß­ball in der Bundesliga gesehen? Ein Umbruch ist erforderli­ch, in der Liga und der Nationalma­nnschaft. Ballbesitz­fußball war gestern. Schnelligk­eit, Esprit, Einsgegen-eins-Versuche und Leidenscha­ft sind gefragt, will man die Herzen vieler Fans gewinnen und wieder „große Brötchen“backen.

 ??  ?? Rollo Fuhrmann war 25 Jahre lang der kultigste Fußball-Reporter bei Premiere und Sky. Mehr als 7000 Interviews führte der heute 68-Jährige, der schon mit 16 Jahren als DJ durchstart­ete, später als Lehrer Deutsch und Geographie unterricht­ete und Sketche...
Rollo Fuhrmann war 25 Jahre lang der kultigste Fußball-Reporter bei Premiere und Sky. Mehr als 7000 Interviews führte der heute 68-Jährige, der schon mit 16 Jahren als DJ durchstart­ete, später als Lehrer Deutsch und Geographie unterricht­ete und Sketche...

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