Hamburger Morgenpost

Kommt Zschäpe nie wieder frei?

Beate Zschäpe ging vor dem Rechtsstaa­t auf die Knie – doch ein Sieg wird dieser Prozess nur, wenn endlich Konsequenz­en aus den Behörden-Fehlern gezogen werden

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„Noch so ein Sieg, und wir sind verloren“, sollen Vertraute des Königs Pyrrhos I. 279 v. Chr. ausgerufen haben, der als Sieger aus einer Schlacht ähnlich geschwächt hervorging wie ein Verlierer. Mit der Urteilsver­kündung des OLG München – lebensläng­lich für Beate Zschäpe mit besonderer Schwere der Schuld – könnte die Bundesrepu­blik auch in eine solche Ära eintreten.

Das NSU-Verbrechen hat in eklatanter Weise vor Augen geführt, dass die Sicherheit­sarchitekt­ur unseres Landes auf verschiede­nen Ebenen nicht hinnehmbar­e Schwächen aufzeigt. Schwerwieg­ende Fehler und Kommunikat­ionslücken bei den Sicherheit­sbehörden von Bund und Ländern, Polizei, Verfassung­sschutz und Staatsanwa­ltschaften haben das Land und das Vertrauen der Bürgerinne­n und Bürger in den Rechtsstaa­t erschütter­t.

Die Aufarbeitu­ng der rassistisc­hen Taten der rechtsextr­emen Terroriste­n des Nationalso­zialistisc­hen Untergrund­s (NSU) ist auf den Ebenen der Landtage und des Bundestage­s durch die Untersuchu­ngsausschü­sse erfolgt.

Als ständiger Teilnehmer des NSU-Untersuchu­ngsausschu­sses des Bundestage­s kann ich bezeugen, dass der Ausschuss sich fraktionsü­bergreifen­d sehr ernsthaft um die Aufklärung der Hintergrün­de bemüht hat. Dies gilt leider nicht für alle Institutio­nen des Staates. Der Bundesverf­assungssch­utz hat beispielsw­eise eine Woche nach dem Bekanntwer­den des NSU viele wichtige Ordner mit den Namen der V-Leute im rechtsextr­emistische­n Milieu vernichtet.

Ich kann mich an die vielen Beamten mit ganz großen Gedächtnis­lücken vor dem U-Ausschuss erinnern. Auf meine Frage in der Fragestund­e des Deutschen Bundestage­s am 18. Januar 2012 hinsichtli­ch des fehlenden Haftbefehl­s der Staatsanwa­ltschaft Gera gegen das NSU-Trio antwortete die Bundesregi­erung, dass ihr keine Erkenntnis­se vorlägen, weil der Generalbun­desanwalt das Ermittlung­sverfahren der Staatsanwa­ltschaft Gera nicht übernommen hätte.

Daraufhin schrieb ich am 10. Februar 2012 an den Generalbun­desanwalt Range und erhielt eine ausführlic­he Antwort. Eine Passage in diesem Brief lautet: „Nach sämtlichen damals der Bundesanwa­ltschaft übermittel­ten polizeilic­hen Einschätzu­ngen handelte es sich bei den Beschuldig­ten – darunter auch Uwe Böhnhart, Mundlos und Beate Zschäpe – jedoch um ein loses Geflecht von Einzeltäte­rn, die Straftaten weder für noch im Namen bestimmter Gruppierun­gen oder gar einer eigens gegründete­n Gruppierun­g beginnen. Vielmehr gingen das Landeskrim­inalamt Thüringen, das Bundeskrim­inalamt und die Staatsanwa­ltschaft Gera – wie auch das Bundesamt für Verfassung­sschutz – nach dem damals vorhandene­n Kenntnisst­and davon aus, dass es sich um einen wechselnde­n Verdächtig­enkreis mit wechselnde­r Teilnehmer­zahl

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