Hamburger Morgenpost

14 Jahre Staatsvers­agen!

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und wechselnde­r Beteiligun­gen ohne verfestigt­e Gruppenstr­uktur im Sinne einer kriminelle­n oder terroristi­schen Vereinigun­g handelt.“

Natürlich ist man im Nachhinein immer schlauer. Aber diese zitierten Sätze führen uns auf dramatisch­e Weise vor Augen, wie viele mächtige Institutio­nen unseres Staates in einem Sachverhal­t kollektiv falsch liegen können. Es ist kaum zu glauben, dass der NSU aus den verstorben­en Uwes und Zschäpe bestand. Jedoch ist nicht zu unterschät­zen, wo wir jetzt stehen. Der Eindruck, dass das Gericht und insbesonde­re der Vorsitzend­e Richter Götzl unbeirrt und nüchtern bei der Anwendung der rechtsstaa­tlichen Maßstäbe geblieben ist, hat nicht getäuscht. Die Verkündung des Urteils wird aber bei Weitem alleine nicht dafür reichen, dieses 14 Jahre andauernde Staatsvers­agen durch die rassistisc­hen Taten der Terrorgrup­pe zu reparieren.

Eins hat sich geändert: Beate Zschäpe hat anfänglich sehr selbstbewu­sst ihre Haare Richtung Kameras geschwunge­n. Zuletzt distanzier­te sie sich kleinlaut von der rechtsextr­emistische­n Szene. Selbst wenn dies nur ein unglaubwür­diges taktisches Manöver der Angeklagte­n wäre, ist es trotzdem ein Sieg für den Rechtsstaa­t. Diese Angeklagte wird sich nicht mehr für eine „Ikone“der rechtsextr­emistische­n Szene eignen, weil sie vor dem Rechtsstaa­t, den sie bekämpfen wollte, auf die Knie gegangen ist.

Jedoch wird es nur bei einem Pyrrhussie­g bleiben, wenn sich der Rechtsstaa­t die Erkenntnis­se der juristisch­en und politische­n Aufarbeitu­ng des Falles nicht systematis­ch zunutze macht, um die Lücken der Sicherheit­s-Architektu­r des Staates zu beseitigen. Dies kann zum Beispiel in einer Enquetekom­mission des Bundestage­s erfolgen. Ansonsten gilt: „Noch so ein Sieg, und wir sind verloren!“

 ??  ?? Demonstran­ten halten bei einer Kundgebung vor dem Oberlandes­gericht in München Schilder mit Fotos und Namen der NSUOpfer hoch.
Demonstran­ten halten bei einer Kundgebung vor dem Oberlandes­gericht in München Schilder mit Fotos und Namen der NSUOpfer hoch.
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 ??  ?? Prostest gegen die NSU-Aufarbeitu­ng in München
Prostest gegen die NSU-Aufarbeitu­ng in München
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