Hamburger Morgenpost

Dieser Stadtteil versorgt sich selbst

In dem Elbvorort hat die Stadt eke Energie-Revolution gestartet. Wie alle Hamburger davon profitiere­n

- MIKE SCHLINK mike.schlink@mopo.de

Iserbrook zählt nicht gerade zu den populärste­n Stadtteile­n. Wenn hier etwas passiert, bekommt der Rest Hamburgs selten davon etwas mit. Wenig verwunderl­ich also, dass die Stadt hier in den vergangene­n Monaten nahezu unbemerkt eine Energie-Revolution starten konnte: Strom und Wärme erzeugen die Bürger in dem Elbvorort jetzt selbst!

Im Detail geht es um das Quartier am Heidrehmen. Mehrere turmhohe Wohnblöcke dominieren hier das Bild der Siedlung, die in den 60er und 70er Jahren entstand – und heute Hunderten Menschen beim Bauverein der Elbgemeind­en (BVE) ein Zuhause bietet. Hier haben die Baugenosse­nschaft und der städtische Energiever­sorger Hamburg Energie ein Pilotproje­kt ins Leben gerufen, das ganz Hamburg verändern könnte. „Bei uns wird die Energiever­sorgung der Zukunft lebendig“, sagt BVE-Vorstand Axel Horn.

Was er meint: Anstatt weiter Strom und Wärme unter anderem aus dem veralteten Kohlekraft­werk Wedel zu beziehen, erzeugen die mehr als 800 Haushalte am Heidrehmen beides nun selbst. Dafür haben BVE, Hamburg Energie und die Umweltbehö­rde gemeinsam einen mittleren einstellig­en MillionenB­etrag in den Ausbau eines eigenständ­igen Energienet­zes investiert.

Zwei moderne Blockheizk­raftwerke bilden den Kern der neuen Energiezen­trale. Gasbetrieb­ene Motoren erzeugen dort in erster Linie Wärme, die – unabhängig vom Bedarf der Mieter – produziert und in einem Speicher zwischenge­lagert werden kann. Aber auch Strom wird erzeugt. Den können die Mieter direkt nutzen, eine sogenannte „Power-toheat-Anlage“kann den Strom bei Bedarf auch in Wärme umwandeln. Hinzu kommen Wärmepumpe­n, die unter anderem die Abwärme der Heizanlage­n nutzen, um diese ebenfalls ins Netz einzuspeis­en. Um möglichst wenig Energie zu verlieren, wurde das komplette Nahwärmene­tz auf einer Länge von zwei Kilometern ausgetausc­ht und deutlich stärker isoliert.

„Durch den Quartierst­rom werden nun jährlich 500 Tonnen CO2 eingespart“, sagt Hamburg-Energie-Ingenieur Ingo Schultz. Davon profitiere die ganze Stadt, finanziell kommt es den Mietern zugute. Da durch die direkte Nutzung von Strom weniger Abgaben und Gebühren anfallen, zahlt ein Haushalt mit einem Verbrauch von 3000 Kilowattst­unden pro Jahr am Heidrehmen bis zu 140 Euro weniger als beim Grundverso­rger.

„So senken wir die Belastung für unsere Mitglieder weiter“, sagt Axel Horn. Zudem könne man dazu beitragen, Hamburgs Klimaschut­zziele 2020 zu erreichen. Nur mit energetisc­hen Fassadenmo­dernisieru­ngen werde man das nämlich nicht schaffen. „Statt bis zum Erstickung­stod teuer zu dämmen, sollten wir lieber komplexe und moderne Heizungssy­steme und Netze schaffen“, sagt auch Andreas Breitner, Direktor vom Verband Norddeutsc­her Wohnungsun­ternehmen. Er hofft, genauso wie Umweltsena­tor Jens Kerstan (Grüne), dass das Pilotproje­kt auch an anderen Stellen in Hamburg Nachahmer findet.

Und das ist der Fall. Am Poppenbütt­eler Berg (Poppenbütt­el) realisiert Fördern & Wohnen zurzeit ein Neubauproj­ekt. Die 300 Wohneinhei­ten sollen sich künftig ebenfalls selbst mit Energie versorgen. Dazu errichtet Hamburg Energie auch hier zwei Blockheizk­raftwerke sowie eine Solaranlag­e. Und am Dudenweg (Billstedt) plant der städtische Energiever­sorger gemeinsam mit der Hansa-Baugenosse­nschaft, 614 Wohneinhei­ten mit Quartierse­nergie zu versorgen. Weitere Projekte sollen folgen – um Hamburg von Großkraftw­erken unabhängig­er zu machen.

 ??  ?? Ingo Schultz ist Ingenieur bei Hamburg Energie. A el Horn ist Vorstand beim Bauverein BVE. Die Wohnblöcke in Iserbrook stammen aus den 60er und 70er Jahren. Heute versorgt sich das Quartier selbst mit Energie, und zwar ganz umweltbewu­sst.
Ingo Schultz ist Ingenieur bei Hamburg Energie. A el Horn ist Vorstand beim Bauverein BVE. Die Wohnblöcke in Iserbrook stammen aus den 60er und 70er Jahren. Heute versorgt sich das Quartier selbst mit Energie, und zwar ganz umweltbewu­sst.

Newspapers in German

Newspapers from Germany