Dieser Stadtteil versorgt sich selbst
In dem Elbvorort hat die Stadt eke Energie-Revolution gestartet. Wie alle Hamburger davon profitieren
Iserbrook zählt nicht gerade zu den populärsten Stadtteilen. Wenn hier etwas passiert, bekommt der Rest Hamburgs selten davon etwas mit. Wenig verwunderlich also, dass die Stadt hier in den vergangenen Monaten nahezu unbemerkt eine Energie-Revolution starten konnte: Strom und Wärme erzeugen die Bürger in dem Elbvorort jetzt selbst!
Im Detail geht es um das Quartier am Heidrehmen. Mehrere turmhohe Wohnblöcke dominieren hier das Bild der Siedlung, die in den 60er und 70er Jahren entstand – und heute Hunderten Menschen beim Bauverein der Elbgemeinden (BVE) ein Zuhause bietet. Hier haben die Baugenossenschaft und der städtische Energieversorger Hamburg Energie ein Pilotprojekt ins Leben gerufen, das ganz Hamburg verändern könnte. „Bei uns wird die Energieversorgung der Zukunft lebendig“, sagt BVE-Vorstand Axel Horn.
Was er meint: Anstatt weiter Strom und Wärme unter anderem aus dem veralteten Kohlekraftwerk Wedel zu beziehen, erzeugen die mehr als 800 Haushalte am Heidrehmen beides nun selbst. Dafür haben BVE, Hamburg Energie und die Umweltbehörde gemeinsam einen mittleren einstelligen MillionenBetrag in den Ausbau eines eigenständigen Energienetzes investiert.
Zwei moderne Blockheizkraftwerke bilden den Kern der neuen Energiezentrale. Gasbetriebene Motoren erzeugen dort in erster Linie Wärme, die – unabhängig vom Bedarf der Mieter – produziert und in einem Speicher zwischengelagert werden kann. Aber auch Strom wird erzeugt. Den können die Mieter direkt nutzen, eine sogenannte „Power-toheat-Anlage“kann den Strom bei Bedarf auch in Wärme umwandeln. Hinzu kommen Wärmepumpen, die unter anderem die Abwärme der Heizanlagen nutzen, um diese ebenfalls ins Netz einzuspeisen. Um möglichst wenig Energie zu verlieren, wurde das komplette Nahwärmenetz auf einer Länge von zwei Kilometern ausgetauscht und deutlich stärker isoliert.
„Durch den Quartierstrom werden nun jährlich 500 Tonnen CO2 eingespart“, sagt Hamburg-Energie-Ingenieur Ingo Schultz. Davon profitiere die ganze Stadt, finanziell kommt es den Mietern zugute. Da durch die direkte Nutzung von Strom weniger Abgaben und Gebühren anfallen, zahlt ein Haushalt mit einem Verbrauch von 3000 Kilowattstunden pro Jahr am Heidrehmen bis zu 140 Euro weniger als beim Grundversorger.
„So senken wir die Belastung für unsere Mitglieder weiter“, sagt Axel Horn. Zudem könne man dazu beitragen, Hamburgs Klimaschutzziele 2020 zu erreichen. Nur mit energetischen Fassadenmodernisierungen werde man das nämlich nicht schaffen. „Statt bis zum Erstickungstod teuer zu dämmen, sollten wir lieber komplexe und moderne Heizungssysteme und Netze schaffen“, sagt auch Andreas Breitner, Direktor vom Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen. Er hofft, genauso wie Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne), dass das Pilotprojekt auch an anderen Stellen in Hamburg Nachahmer findet.
Und das ist der Fall. Am Poppenbütteler Berg (Poppenbüttel) realisiert Fördern & Wohnen zurzeit ein Neubauprojekt. Die 300 Wohneinheiten sollen sich künftig ebenfalls selbst mit Energie versorgen. Dazu errichtet Hamburg Energie auch hier zwei Blockheizkraftwerke sowie eine Solaranlage. Und am Dudenweg (Billstedt) plant der städtische Energieversorger gemeinsam mit der Hansa-Baugenossenschaft, 614 Wohneinheiten mit Quartiersenergie zu versorgen. Weitere Projekte sollen folgen – um Hamburg von Großkraftwerken unabhängiger zu machen.