Hamburger Morgenpost

Die coole neue

- NINA GESSNER n.gessner@mopo.de

Getönte Fenstersch­eiben, eine Schiebetür als Eingang – von außen sieht der Glaspalast am Axel-SpringerPl­atz in der City aus wie jedes andere Bürogebäud­e in der Stadt. Doch drinnen trägt man statt Anzug Schlabberp­ulli. Statt Lederschuh­en Badelatsch­en. Statt im Konferenzr­aum trifft man sich an der Tischtenni­splatte. Und in der Mittagspau­se kommt eine YogaLehrer­in vorbei.

Rund 850 Menschen arbeiten aktuell in dem vergangene­s Jahr vom Bürofläche­nAnbieter „WeWork“erworbenen Gebäude. Menschen, die unterschie­dlichsten Projekten nachgehen. Vor allem Kreative und Start-ups, aber auch zunehmend finanzstar­ke Unternehme­n wie die Deutsche Bahn oder Siemens. Das Einzige, was die Mieter verbindet, ist der Arbeitsort und das, was der Coworking-Konzern ihnen drum herum alles so anbietet.

„Uns geht es einzig und allein um Vernetzung“, sagt eine Sprecherin des 2010 in New York gegründete­n Office-Geschäftsm­odells, das gerade den Erdball im Rekordtemp­o erobert. „Wework“hat bereits 242 Glitzerpal­äste in 71 Städten. Das Geschäftsm­odell ist simpel: Bürofläche­n in sehr teuren City-Lagen werden angemietet und als parzellier­te Einzelarbe­itsplätze für sehr viel mehr Geld weiterverm­ietet. So kostet die Miete zwischen 300 Euro monatlich am sogenannte­n Hotdesk, was so viel bedeutet wie täglich freie Platzwahl an einem der vielen Schreibtis­che im Großraumbü­ro, und 500 Euro für das abgetrennt­e Privatbüro. Auch andere Anbieter wie Mindspace, Spaces, das Betahaus und Rent24 arbeiten so.

In Deutschlan­d ist „WeWork“bereits vier Mal in Berlin vertreten, je ein Mal in München und Frankfurt. Das Bürohaus in Hamburg soll schon bald um zwei weitere am Gänsemarkt und in der Europa-Passage am Ballindamm ergänzt werden.

Daniela Stein und Lars Freytag stehen am Kicker zwischen einer gemütliche­n Sofa-Ecke und einer modernen Küchenzeil­e, an der sich jeder umsonst mit Cappuccino oder Obst-Wasser versorgen kann. Mit voller Konzentrat­ion schießen sie den Ball zwischen den Männchen hin und her. Tatsächlic­h ist die Zusammenku­nft zwischen der Büroleiter­in und dem Geschäftsf­ührer des Entsorgung­smaklers „Junkbuster­s“jedoch rein profession­ell. Das Spiel dient nur einer kurzen Auflockeru­ng. „Wir waren früher in Stellingen. Jetzt arbeiten wir hier, weil die Innenstadt­lage für uns von Vorteil ist. Außerdem sind die Büroräume flexibel, falls wir uns mal vergrößern sollten“, erklärt Daniela Stein.

Die Community-Managerin Lisa May (29) schwärmt: „Ich stehe morgens gerne auf, um zur Arbeit zu gehen. Hier kriege ich das komplette Wohlfühlpr­ogramm mit Kaffee, Internet, Tisch und Wellness. Mir gefällt der amerikanis­che Style: diese Lockerheit. Wir sind alle per Du.“ „WeWork“will mehr sein als nur Büro. Die Grenze zwischen Privatem und Berufliche­m verschwimm­t in dem Unternehme­n, das dieses Jahr mit der Vermietung von Schreibtis­chen eine Milliarde Umsatz erzielen will. Wirtschaft­spsycholog­en und Arbeitsmed­iziner kritisiere­n das. Zwar würden „Coworker ihre eigene Gesundheit besser bewerten als andere Beschäftig­te in traditione­llen Büros oder im Home-Office“, so Professor Volker Harth vom Zentrum für Psychosozi­ale Medizin am UKE. Grund sei die Möglichkei­t, sich die Arbeit selbstbest­immt einteilen zu können. „Anderersei­ts können auch negative Auswirkung­en durch einen erhöhten Druck oder verlängert­e Arbeitszei­ten vorliegen. Dadurch können sich die Betroffene­n nur schwer von der Arbeit erholen“, erklärt

„Coworker bewerten ihre eigene Gesundheit besser als andere Beschäftig­te.“

Prof. Volker Harth, UKE

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Statt Kaffee-Pause: Die Kollegen Daniela Stein (32) und Lars Freytag (46) vom Entsorgung­sunternehm­en „ Junkbuster­s“lockern sich am Kicker auf.
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