Das Ende der Welt, wie wir sie kennen
Nach langer Blütezeit droht die liberale Demokratie in Dunkelheit zu versinken. Stattdessen gilt immer öfter das Recht des Stärkeren
Menschenrechte und Völkerrecht. Das waren zentrale Begriffe der liberalen, demokratischen Blütezeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Donald Trump und Wladimir Putin nahmen diese Worte bei ihrem Treffen in Helsinki kein einziges Mal in den Mund. Man kann dies als Hinweis nehmen – dafür, dass die liberale Weltordnung, wie wir sie kennen, zu Ende geht. Oder bereits an ihrem Ende ist. Liberalismus und Demokratie stehen auf vielen Ebenen unter Beschuss – von innen wie von außen.
Dass Russland die US-Wahlen zu Gunsten von Donald Trump beeinf usst hat, bezweifelt kaum mehr jemand. Außer dem Präsidenten selbst. Er glaubt dem russischen Präsidenten, wenn dieser treuherzig beteuert, Russland habe sich nicht eingemischt. Der US-Präsident legitimiert damit (aus egoistischen Motiven) einen Eingriff in einen demokratischen Wahlprozess, wie man ihn nicht nur in den USA, sondern auch in Frankreich oder beim Brexit erleben konnte. Putin wird seine Schlüsse daraus ziehen: Solches Verhalten bleibt für ihn letztlich folgenlos. Dies könnte den Kreml-Herrscher dem Ziel näherbringen, das ihm viele unterstellen: die Spaltung und die Schwächung des liberalen Westens und seiner Institutionen NATO und EU. Es wäre die perfekte Rache für den Zusammenbruch der Sowjetunion, den Putin als die „größte geostrategische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“empfindet.
Auch wenn Putins Russland rechte wie linke „Anti-System-Parteien“in ganz Europa fördert und von diesen bewundert wird – die eigentliche Gefahr kommt tief aus dem Westen. Es ist vor allem Donald Trump, der alles einreißt, was die liberal-demokratische Grundordnung so lange so erfolgreich gemacht hat. Internationale Regeln und Verträge wie das Iran-Abkommen, der Pariser Klima-Vertrag, die UNO, oder die Welthandelsorganisation WTO scheinen nicht mehr zu zählen. Die Herrschaft des Rechts bedeutet nichts mehr, ab jetzt soll das Recht des Stärkeren gelten.
Trump denkt in Einf usszonen und beurteilt Länder vor allem nach ihrer militärischen Stärke. Wer dort viel zu bieten hat (Russland, Nordkorea), wird hofiert. Wer wie die Europäer nicht so gut aufgestellt ist, wird schnell zum „Feind“. Überlagert wird dieser Effekt der Entfremdung durch eine aktuelle US-Wirtschaftspolitik, die das Gegenteil von liberal ist. Mit seinem ZollKrieg gegen fast die ganze Welt beschleunigt Trump den Zerfall der liberalen Ideen noch.
Und Europa? Der Kontinent ist (noch) nicht reiner Spielball der Großmächte. Er beheimatet aber selbst illiberale Fackelträger, die Rechtsstaat, die freien Medien und Minderheiten letztlich verachten. In der NATO ist es allen voran die Türkei Erdogans, die diese Werte systematisch bekämpft. In der EU sind es der Ungar Orbán und der Pole Kaczynski, die ihre eigenen Vorstellungen von Demokratie haben. Sie wollen keine liberale, sondern eine „gelenkte Demokratie“.
Und auch wenn es vielerorts nicht gerne gehört wird: Auch die Einwanderung nach Europa, wie sie momentan abläuft, wirkt dem liberalen Modell letztlich entgegen. Zum einen weil Migrationsgegner auch oft Demokratie-Verächter sind. Aber auch weil vor allem Menschen nach Europa kommen, die aus stark religiösen Gesellschaften stammen. In diesen zählen beispielsweise die Rechte von Frauen oder gar von Homosexuellen wenig bis gar nicht. Die Vorstellung, dass alle Zuwanderer diese Prägungen mit dem Grenzübertritt nach Europa von sich werfen (können oder wollen), ist naiv und durch die Wirklichkeit in großen Teilen widerlegt.
Die EU sucht nun verzweifelt nach Partnern, die nach dem Ausfall der USA helfen, die liberale Weltordnung aufrechtzuerhalten. Dass dabei ausgerechnet das kommunistische China in den Fokus rückt, zeigt, wie verzweifelt die Lage bereits ist. Aber es nützt nichts! Wir dürfen den Liberalismus, die Gleichheit und die Demokratie nicht kampf os aufgeben. Wenn wir diese Lebensweise erfolgreich in Europa verteidigen wollen, müssen die liberalen Demokratien noch enger zusammenrücken. Jeder Nationalstaat für sich alleine genommen ist viel zu schwach und damit leichte Beute für diejenigen, die liberale Ideen für Teufelszeug halten. Liberale Demokratien sind keine Selbstverständlichkeit. Und wenn wir nicht aufpassen, sind sie bald endgültig Geschichte!
Trumps USA und Putins Russland sind eine Gefahr – aber auch Europa beheimatet illiberale Fackelträger.