Der Streit um die Zukunft der Innenstadt
Die Zahl der Kunden in der City sinkt seit Jahren. Trotzdem entstehen immer neue Shoppingflächen in der Stadt. Geschäftsleute befürchten Leerstand
Die Zahl der Kunden auf Mö und Spitalerstraße sinkt – und zwar das dritte Jahr in Folge. Das hat eine Erhebung der Immobilienfirma Jones Lang LaSalle ergeben. Der Rückgang liegt je nach Straße bei bis zu 14 Prozent und ist deutlich höher als in anderen Großstädten – und das trotz des Touristenbooms durch die Elphi. Gegen diesen Trend steigt die Zahl der Ladenflächen gerade enorm. Ein neuer Shopping-Gigant will jetzt auch noch Kunden in die HafenCity abziehen. Drohen massive Leerstände?
„Das geplante ShoppingCenter in der HafenCity ist ein Tiefschlag für das Geschäftszentrum Innenstadt“, sagt Heinrich Grüter, Geschäftsführer des Trägerverbundes Projekt Innenstadt. Unter dessen Dach haben sich Gewerbetreibende und Grundeigentümer aus der City schon vor mehr als 30 Jahren zusammengeschlossen. „Das neue Shopping-Center wird massiv Kaufkraft abschöpfen.“Schließlich sei es Ziel solcher Center, die Kunden in den eigenen Räumen zu halten. Grüter: „Da soll dann keiner mehr woanders bummeln.“
Das Center von UnibailRodamco (MOPO berichtete) im Überseequartier Süd wird auf mehr als 80000 Quadratmetern Einkaufsfläche Platz für rund 200 Läden bieten. Direkt am Wasser. Grüter: „Das ist noch einmal erheblich größer als das Alstertal-Einkaufszentrum, und das ist langsam gewachsen.“Aktuell klagen Anwohner gegen das Projekt. Die Baugrube ist bereits ausgehoben, bis 2021 sollen die ersten Läden eröffnen.
Aber auch in der City tut sich viel. So geht nach vier Jahren Bauzeit demnächst am Alten Wall direkt neben dem Rathaus ein neues Schmuckstück hinter historischer Fassade an den Start: Das Gebäude der ehemaligen Vereins- und Westbank ist ein 150 Meter langes Ensemble aus fünf Gebäuden. Auf drei Stockwerken entstehen 14 bis 17 Läden plus Gastronomie. Die ersten Geschäfte sollen im Frühjahr 2019 eröffnen. Das BuceriusKunst-Forum zieht vom Rathausmarkt zum Alten Wall. Wie viel Ladenfläche bereits vermietet ist, dazu schweigt Art-Invest.
Auch am Neuen Wall tut sich etwas. Allerdings am anderen Ende Richtung Stadthausbrücke. Dort eröffnen die Stadthöfe, ein 100000 Quadratmeter großes Quartier, das acht Gebäude (zum Beispiel GörtzPalais, Palaishaus, Bleichenhof ) und vier Stadthöfe umfasst. Neben Restaurants, Clubs und einem Hotel eröffnen in den Gebäuden auch 50 Boutiquen und exklusive Geschäfte.
Doch anders als beim Unibail-Komplex in der HafenCity sieht kaum jemand diese zusätzlichen Flächen als Bedrohung. „Das ist ein organisches Wachstum der Innenstadt“, sagt Grüter. „Dort entstehen auch neue Wohnungen und Gastronomie, das ist gut für uns.“Das sieht auch Brigitte Engler vom City Management so. „Dort am Alten und am Neuen Wall wurde auf so hohem Niveau entwickelt, das ist eine Bereicherung.“Sie ist sicher: „Die Ladenflächen können wir füllen, ohne uns gegenseitig Konkurrenz zu machen.“
Während es in den guten Lagen wie dem Neuen Wall und der Mönckebergstraße höchstens kurzfristig zu Leerständen kommt, sieht das in den Nebenlagen auch heute schon anders aus. Grüter: „Dort macht sich der Kunden- und Umsatz-Rückgang sehr wohl bemerkbar.“Auch die Mieten hätten nachgegeben. „Bei Neuvermietungen sind die bisherigen Mietpreise meist nicht mehr erreichbar.“
Auch das City-Marketing beobachtet diese Entwicklung. Engler: „Bei Wechsel dauert der Leerstand heute schon länger. Gesucht werden jetzt auch eher kleinere Läden.“Auf ehemaligen Ladenflächen entsteht immer öfter Gastronomie.
Engler will den Teufel nicht an die Wand malen und bleibt ruhig angesichts des neuen Shopping-Tempels in der HafenCity. „Die Innenstadt ist so attraktiv.“Gerade seien von den Grundeigentümern 40 Millionen Euro in die Aufwertung von Gebäuden, Straßen und Plätzen gesteckt worden. Das mache sich bemerkbar.
Außerdem kommen seit der Eröffnung der Elphi noch einmal deutlich mehr Touristen in die Stadt, und zwar auch aus Regionen der Welt, die bisher nicht so präsent waren. Mittlerweile übernachten jährlich 14 Millionen Touristen in der Stadt.
Bis 2021 muss sich laut City-Management trotzdem noch einiges tun. „Wir brauchen eine gute Wegeverbindung von der HafenCity in die Innenstadt“, zählt Engler auf. „Baustellen müssen zudem besser koordiniert werden und Veranstaltungen entzerrt.“
Die Binnenalster sollte so aufgewertet werden, dass die Besucher Lust haben, bis in den Abend hinein in der Stadt zu bleiben und dort noch etwas zu trinken. Etwa durch ein besseres Beleuchtungs-Konzept. Engler: „Von Hamburg Tourismus erwarten wir, dass die Stadt viel stärker als bisher als Einkaufs-Metropole vermarktet wird.“