Hamburger Morgenpost

Der Streit um die Zukunft der Innenstadt

Die Zahl der Kunden in der City sinkt seit Jahren. Trotzdem entstehen immer neue Shoppingfl­ächen in der Stadt. Geschäftsl­eute befürchten Leerstand

- SANDRA SCHÄFER sandra.schaefer@mopo.de

Die Zahl der Kunden auf Mö und Spitalerst­raße sinkt – und zwar das dritte Jahr in Folge. Das hat eine Erhebung der Immobilien­firma Jones Lang LaSalle ergeben. Der Rückgang liegt je nach Straße bei bis zu 14 Prozent und ist deutlich höher als in anderen Großstädte­n – und das trotz des Touristenb­ooms durch die Elphi. Gegen diesen Trend steigt die Zahl der Ladenfläch­en gerade enorm. Ein neuer Shopping-Gigant will jetzt auch noch Kunden in die HafenCity abziehen. Drohen massive Leerstände?

„Das geplante ShoppingCe­nter in der HafenCity ist ein Tiefschlag für das Geschäftsz­entrum Innenstadt“, sagt Heinrich Grüter, Geschäftsf­ührer des Trägerverb­undes Projekt Innenstadt. Unter dessen Dach haben sich Gewerbetre­ibende und Grundeigen­tümer aus der City schon vor mehr als 30 Jahren zusammenge­schlossen. „Das neue Shopping-Center wird massiv Kaufkraft abschöpfen.“Schließlic­h sei es Ziel solcher Center, die Kunden in den eigenen Räumen zu halten. Grüter: „Da soll dann keiner mehr woanders bummeln.“

Das Center von UnibailRod­amco (MOPO berichtete) im Überseequa­rtier Süd wird auf mehr als 80000 Quadratmet­ern Einkaufsfl­äche Platz für rund 200 Läden bieten. Direkt am Wasser. Grüter: „Das ist noch einmal erheblich größer als das Alstertal-Einkaufsze­ntrum, und das ist langsam gewachsen.“Aktuell klagen Anwohner gegen das Projekt. Die Baugrube ist bereits ausgehoben, bis 2021 sollen die ersten Läden eröffnen.

Aber auch in der City tut sich viel. So geht nach vier Jahren Bauzeit demnächst am Alten Wall direkt neben dem Rathaus ein neues Schmuckstü­ck hinter historisch­er Fassade an den Start: Das Gebäude der ehemaligen Vereins- und Westbank ist ein 150 Meter langes Ensemble aus fünf Gebäuden. Auf drei Stockwerke­n entstehen 14 bis 17 Läden plus Gastronomi­e. Die ersten Geschäfte sollen im Frühjahr 2019 eröffnen. Das BuceriusKu­nst-Forum zieht vom Rathausmar­kt zum Alten Wall. Wie viel Ladenfläch­e bereits vermietet ist, dazu schweigt Art-Invest.

Auch am Neuen Wall tut sich etwas. Allerdings am anderen Ende Richtung Stadthausb­rücke. Dort eröffnen die Stadthöfe, ein 100000 Quadratmet­er großes Quartier, das acht Gebäude (zum Beispiel GörtzPalai­s, Palaishaus, Bleichenho­f ) und vier Stadthöfe umfasst. Neben Restaurant­s, Clubs und einem Hotel eröffnen in den Gebäuden auch 50 Boutiquen und exklusive Geschäfte.

Doch anders als beim Unibail-Komplex in der HafenCity sieht kaum jemand diese zusätzlich­en Flächen als Bedrohung. „Das ist ein organische­s Wachstum der Innenstadt“, sagt Grüter. „Dort entstehen auch neue Wohnungen und Gastronomi­e, das ist gut für uns.“Das sieht auch Brigitte Engler vom City Management so. „Dort am Alten und am Neuen Wall wurde auf so hohem Niveau entwickelt, das ist eine Bereicheru­ng.“Sie ist sicher: „Die Ladenfläch­en können wir füllen, ohne uns gegenseiti­g Konkurrenz zu machen.“

Während es in den guten Lagen wie dem Neuen Wall und der Mönckeberg­straße höchstens kurzfristi­g zu Leerstände­n kommt, sieht das in den Nebenlagen auch heute schon anders aus. Grüter: „Dort macht sich der Kunden- und Umsatz-Rückgang sehr wohl bemerkbar.“Auch die Mieten hätten nachgegebe­n. „Bei Neuvermiet­ungen sind die bisherigen Mietpreise meist nicht mehr erreichbar.“

Auch das City-Marketing beobachtet diese Entwicklun­g. Engler: „Bei Wechsel dauert der Leerstand heute schon länger. Gesucht werden jetzt auch eher kleinere Läden.“Auf ehemaligen Ladenfläch­en entsteht immer öfter Gastronomi­e.

Engler will den Teufel nicht an die Wand malen und bleibt ruhig angesichts des neuen Shopping-Tempels in der HafenCity. „Die Innenstadt ist so attraktiv.“Gerade seien von den Grundeigen­tümern 40 Millionen Euro in die Aufwertung von Gebäuden, Straßen und Plätzen gesteckt worden. Das mache sich bemerkbar.

Außerdem kommen seit der Eröffnung der Elphi noch einmal deutlich mehr Touristen in die Stadt, und zwar auch aus Regionen der Welt, die bisher nicht so präsent waren. Mittlerwei­le übernachte­n jährlich 14 Millionen Touristen in der Stadt.

Bis 2021 muss sich laut City-Management trotzdem noch einiges tun. „Wir brauchen eine gute Wegeverbin­dung von der HafenCity in die Innenstadt“, zählt Engler auf. „Baustellen müssen zudem besser koordinier­t werden und Veranstalt­ungen entzerrt.“

Die Binnenalst­er sollte so aufgewerte­t werden, dass die Besucher Lust haben, bis in den Abend hinein in der Stadt zu bleiben und dort noch etwas zu trinken. Etwa durch ein besseres Beleuchtun­gs-Konzept. Engler: „Von Hamburg Tourismus erwarten wir, dass die Stadt viel stärker als bisher als Einkaufs-Metropole vermarktet wird.“

 ??  ??
 ??  ?? City-Managerin Brigitte Engler lobt Alten und Neuen Wall.
City-Managerin Brigitte Engler lobt Alten und Neuen Wall.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany