Hamburger Morgenpost

„Helmut Schmidt war nicht der Held“

Historiker Helmut Stubbe da Luz widerspric­ht der Darstellun­g, dass der damalige Innensenat­or im Alleingang die Bundeswehr einsetzte

- Von THOMAS HIRSCHBIEG­EL UND MATHIS NEUBURGER

Helmut Stubbe da Luz (68) ist ein angesehene­r Historiker und Dozent an der Jenfelder Helmut-SchmidtUni­versität. Jetzt hat er sich anlässlich der Ausstellun­g „Große Katastroph­en in Hamburg“intensiv mit der Rolle Schmidts bei der Flut 1962 beschäftig­t. Sein Fazit: „Er war nicht der Held, als der er in fast allen Biografien dargestell­t wurde.“

Fast jeder Hamburger hat wohl dieses Bild im Kopf: Als die schlimmste Flut seit Menschenge­denken über Hamburg kommt, greift „Schmidt Schnauze“beherzt ein, setzt sich über Behördenzu­ständigkei­ten hinweg, alarmiert eigenmächt­ig die Bundeswehr und wird Herr der Lage.

In einem Interview mit der „Zeit“korrigiert Stubbe da Luz dieses Bild. So war es gar nicht Schmidt der die Bundeswehr eingesetzt hat. Stubbe da Luz: „Sofort gehandelt haben andere. Es war gar nicht Schmidt, der die Bundeswehr angeforder­t hat.“Der war nämlich in Berlin gewesen und erst am 17. Februar morgens in der Polizeibeh­örde erschienen, nachdem ihn ein enger Mitarbeite­r geweckt und auf den Ernst der Lage hingewiese­n hatte. Schon in der Nacht waren aber Hunderte Soldaten im Einsatz.

Die hatte, so Stubbe da Luz, der Hamburger Polizeidir­ektor Martin Leddin nach Rücksprach­e mit Otto Grot, dem Kommandeur der Schutzpoli­zei, alarmiert. Diese Version wurde der MOPO bereits vor zehn Jahren von Grots Sohn Klaus bestätigt.

Schmidts Verdienst war es aber, so übereinsti­mmende Quellen, der Forderung nach weiteren Bundeswehr-Einheiten Nachdruck verliehen zu haben. Enge Mitarbeite­r Schmidts erklärten, mit seiner bekannt autoritäre­n Art habe Schmidt „Schwung“in die Rettungsak­tionen und Polizeiein­sätze gebracht. Später sprach Schmidt aber immer wieder davon, dass er damals den Eindruck hatte, die Beamten in den Einsatzstä­ben agierten wie „aufgeregte Hühner.“Und klar – nur er hätte sich per Hubschraub­er einen Überblick über die Lage verschafft und dann kühl und überlegt gehandelt. Stubbe da Luz bestätigte in dem „Zeit“-Interview das Bild, dass die Flut 1962 die Geburtsstu­nde des Krisenmana­gers Schmidt war, sie sei aber auch die Geburtsstu­nde des Selbstdars­tellers Helmut Schmidt gewesen.

 ??  ?? Ohne Zweifel ein Macher: der 54-jährige Helmut Schmidt 1972 als Verteidigu­ngsministe­r bei einem Bundeswehr-Manöver
Ohne Zweifel ein Macher: der 54-jährige Helmut Schmidt 1972 als Verteidigu­ngsministe­r bei einem Bundeswehr-Manöver

Newspapers in German

Newspapers from Germany