10 in denen Hamburg unterging
brachten die feindlichen Bomber ihre tödliche Last weitgehend ungehindert ins Ziel. Aber wieso?
Eineinhalb Jahre zuvor: Kap d’Antifer an der französischen Atlantikküste. Im Schutz der Dunkelheit landeten am 28. Februar 1942 gegen Mitternacht britische Fallschirmjäger in einer deutschen Radarstellung, überwältigten die Wachen und kehrten mit der kompletten technischen Ausstattung im Gepäck nach Hause zurück.
Britische Experten untersuchten das Gerät genau – und fanden bald den wunden Punkt: Das deutsche „Würzburg“-Radar war zwar das führende auf der Welt, hatte aber einen entscheidenden Nachteil: Es arbeitete in einem Frequenzbereich um 560 MHz (Wellenlänge 53,6 cm) herum, der sich kaum verändern ließ. Das brachte die Briten auf den Einfall: Was würde passieren, wenn sie Stanniolstreifen, halb so lang wie die Wellenlänge, über dem Zielgebiet abwerfen würden?
„Ich war von 1941 an Nachtjagdführer in Hamburg und ich kann mich gut erinnern, welch ein großer Aufwand betrieben wurde, um Hamburg vor Luftangriffen zu schützen“, erzählt Widemann. „Es gab 80 Scheinf ughäfen rund um die Stadt – Flughäfen, die aus der Luft nur so aussahen wie Flughäfen, aber keine waren. Es gab Schein-Industrieanlagen, Schein-Straßen und eine Schein-Lombardsbrücke auf der Außenalster. Gleichzeitig war die Binnenalster mit Holz, Draht und Pappe in ein Schein-Geschäftsviertel verwandelt worden. Alles nur, um den Feind zu desorientieren.“
Um es Flugzeugen so schwer wie möglich zu machen, gab es rund um die Stadt außerdem 22 Scheinwerferbatterien, die den Nachthimmel absuchten, und 80 Flakstellungen, die aus allen Rohren feuerten, wenn sich Angreifer näherten. „Und dann gab es noch uns“, so Otto Widemann, „die Nachtjäger. Unsere Flugzeugen sollten die feindlichen Bomber vom Himmel holen, bevor sie die Stadt erreichen.“
Doch je länger der Krieg dauerte, desto aussichtsloser angreifenden wurde dieser Kampf. „Uns standen maximal drei Flugzeuge zur Verfügung“, so Widemann. „,Während gleichzeitig die Zahl der angreifenden Bomber laufend zunahm. Anfangs kamen auf jeden unserer Nachtjäger 100 alliierte Bomber. Das war schon viel. Aber bald waren es 200 oder 300. Nein, das konnte nicht funktionieren!“
Als es den Briten dann auch noch gelang, die deutschen Radaranlagen auszuschalten, war das Chaos perfekt: Beim ersten Angriff in der Nacht vom 24. auf den 25. Juli 1943 nahmen 791 britische Bomber Kurs auf Hamburg. Als die Flugzeuge kurz vor Mitternacht den deutschen Luftraum erreichten, begannen die Besatzungen damit, im Minutentakt Bündel von „Windows“aus dem Flugzeug zu werfen: 90 Millionen Stanniolstreifen segelten zu Boden und riefen in den Braun’schen Röhren der deutschen Radargeräte einen dichten sogenannten Zackennebel hervor. Eine Funkmessstelle nach der anderen meldete: „Gerät durch Störung ausgefallen!“Damit war die Hamburger Luftabwehr praktisch blind.
Für Widemann ist es, als würde er das Rauschen auf seinem Radargerät heute immer noch hören. „Während wir geschützt in unserem Bunker saßen und zur Untätigkeit verdammt waren, ging um uns herum die Welt unter. Immer noch sehe ich die Leichen der Menschen, die versucht hatten, aus den fast ebenerdigen Kellerfenstern der Holstenstraße zu klettern, und dabei erstickten oder verbrannten. Die Katastrophe, die über Hamburg hereingebrochen war, überstieg jede menschliche Vorstellungskraft.“