Luxus zwischen Kiosk und Dönerbude
Nordisch-französische Haute Cuisine in lockerer Atmosphäre: Das „Haebel“
Ein klitzekleiner Raum, eine offene Küche und ein hoher Anspruch: Das „Haebel“auf dem Kiez will die Haute Cuisine zwischen Dönerbude und SaufKiosk etablieren. Das gelingt, mit einigen Abstrichen, ziemlich gut.
Vor der Tür wird gecornert, drinnen herrscht dichte Atmosphäre: 22 Plätze, die Köche sind zum Greifen nah, gegessen wird in zwei Schichten: Von 18 bis 20 Uhr und ab 20.30 Uhr.
Sympathisch: Gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Die Zutaten des monatlich wechselnden Menüs (nicht die Gerichte) stehen auf einem Zettel, etwa „Alte Kuh“, „Ringelblume“oder „Gurke“. Auf Wunsch geht’s auch vegetarisch. Preis: 69 Euro.
„Nordic French Cusine“nennt Fabio Haebel (32), der an gleicher Stelle die Tarterie betrieb, sein Konzept, und das heißt: Zum Crémant (7 Euro/Glas) wird ein raffiniert-rustikaler Gruß aus der Küche auf einem Moosbett in einer Holzschachtel serviert. Als Dessert ein selbst kreiertes Kamilleneis (die Blüten hatte ihm ein Kumpel geschenkt) an Stachelbeere.
Gang eins, Rehtatar, sorgt für Begeisterung, dazu gibt es Tomate in allen Formen: frittiert, pulverisiert – und als extrahiertes Gel, das unglaublich intensiv schmeckt.
Dann geht’s ins Meer: Die Jakobsmuschel auf einem Schaumbettchen hätte etwas mehr Salz vertragen, aber der exzellente Service ist jederzeit zur Stelle, füllt unermüdlich Gratis-Wasser nach und erläutert mit Hingabe, was aufgetischt wird, zum Beispiel Gurke in verschiedensten Variationen (die uns etwas zu verspielt erscheinen).
Oder die spanische alte Kuh, die 16 Jahre Weiden abgegrast hat, bis sie auf St. Pauli in der Pfanne landete. Das Ergebnis: ein sehr intensiver Geschmack, mit der etwas zähen Struktur nicht jedermanns beziehungsweise jederfraus Sache, wie eine Tischumfrage ergibt (auch die Erfahrung des Maître bestätigt hier einen gewissen Gender-Gap). Das Pfifferling-Schnecken-Duett dazu ist, da sind sich alle einig, exzellent.
Die Liebe steckt im Detail: Hier ein mexikanisches Gurkenpülverchen, dort ein Blütenarrangement, dazu eine lockere Atmosphäre, die zum Kiez passt. Nur die Portionen, die könnten einen Tick größer sein (meinen jedenfalls die Männer).
Wer möchte, nimmt die Weinbegleitung (39 Euro). Wir bereuen weder den Riesling (34 Euro/Flasche) noch den Grünen Veltliner (37 Euro). Schön: Als wir ausgetrunken haben und uns festquatschen, wird einfach weiter nachgeschenkt – das ist Gastfreundschaft!