Der CSD ist viel mehr als eine Party!
Eindringlicher Appellder Drag Queen:
Es ärgert mich, wenn Menschen sagen, der CSD wäre einfach nur noch eine große Party. Da hilft es auch nicht, dass dieses „Missverständnis“so alt ist wie der CSD selber. Schon im Artikel über die erste Parade 1970 in New York berichtete die „FAZ“über eine Art ausgelassenes „Geburtstagsfest“– Partyberichterstattung also statt Würdigung besonderer Protestkultur.
Zum 40. Jubiläum des ersten CSD in Europa (Zürich 1978) ist es leider wieder (oder immer noch) nötig, an die politischen Ursprünge unserer bunten Party-Paraden zu erinnern: Am 28. Juni 1969 ist in einer Szene-Bar in der New Yorker Christopher Street Schwulen, Lesben und Transen der Kragen geplatzt. Sie waren es leid, immer wieder von der Polizei diskriminiert, drangsaliert und misshandelt zu werden, und sind endlich auf die Barrikaden gegangen: Es gab tagelange Straßenschlachten – Transsexuelle und Drag Queens an vorderster Front.
An dieses Kapitel von Menschen, die eigentlich nichts anderes getan haben, als ihre Menschenrechte einzufordern und dafür zu kämpfen, erinnert noch heute jeder CSD. Und nur weil schrille Kostüme und bunte Drag Queens traditionell dazugehören, heißt das noch lange nicht, dass der CSD keine politische Sache und längst überflüssig ist.
Sicher: Seit 1994 ist Homosexualität in Deutschland endlich kein Straftatbestand mehr, es gibt bekennende Homosexuelle in Sport und Politik und seit Kurzem die Ehe für alle. Polizisten und Soldaten sind hierzulande mit Ständen auf unseren schwulen Straßenfesten vertreten statt – wie in vielen anderen Ländern der Erde – Minderheiten zu drangsalieren, zu verschleppen und zu ermorden.
Aber zu glauben, bei uns wäre damit inzwischen alles in bester Ordnung, ist völlig falsch. Auch in Deutschland gibt es immer noch Gewalt gegen Schwule und Lesben. Lehrer aus ganz Deutschland schreiben mir regelmäßig, dass es auch bei jungen Menschen wieder „schlimmer“wird und sie nicht wissen, was sie dagegen tun sollen (weshalb wir sogar inzwischen Mitglieder der Olivia Jones Familie zur bunten „Toleranz-Nachhilfe“an Schulen schicken).
Und im Vorwort zum aktuellen „Pride Magazin“wird daran erinnert, dass die AfD mittlerweile im Bundestag sitzt und kürzlich einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der gerade erst erkämpften „Ehe für alle“angekündigt hat. „Damit beantwortet sich die Frage, ob der CSD noch gebraucht wird, von selbst“, schreiben Stefan Mielchen und Nicole Schering und bringen es noch mal auf den Punkt: „Der Hamburg Pride verbindet Politik und Party in einer aufreibenden Zeit.“
„Politik und Party“möchte ich hiermit nun gerne noch ergänzen durch: Politik, Party und PROTEST!
Protest hat viele Gesichter. Und mir sind freudestrahlende und farbenfrohe Gesichter feiernd-protestierender Drag Queens lieber als düstere Fackelzüge mistgabelschwingender „Wutbürger“mit hassverzerrten Grimassen.
Jeder zeigt auf seine Weise das, wofür er/sie/es steht. Wir setzen mit unseren bunten Straßenfesten und Paraden braungetönter Schwarz-Weiß-Malerei einen bunten und fröhlichen Protest entgegen. Einen Protest voller Vielfalt, Farbe und Freude. Egal wie düster es am Himmel gerade mal wieder aussehen mag.
Zeigen wir, wie bunt Hamburg, wie bunt Deutschland (noch) ist. Es sind dringend nötige Bilder der Hoffnung, die wir im digitalen Zeitalter aus unseren freien und vielfältigen Metropolen in die Welt senden.
Deshalb: Runter vom Sofa, ab auf die Straße. Lasst uns gemeinsam feiern: für eine bessere Welt.
➤ Die „Pride Week“geht auf ihren Höhepunkt zu: Heute ab 15 Uhr startet auf Jungfernstieg und Ballindamm das große CSDStraßenfest (bis Sonntag 24 Uhr) mit Party, Musik und Programm. Am Sonnabend startet die große Demo-Parade unter dem Motto „Freie Bahn für Genderwahn!“ab 12 Uhr auf der Langen Reihe und durch die Innenstadt.
Der CSD verbindet Politik, Party und Protest in einer aufreibenden Zeit.