Hamburger Morgenpost

Sagt die Polizei bald Verbrechen voraus?

Die MOPO sprach mit LKA-Chef Heise über Kripoarbei­t der Zukunf

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Kann die Kripo bald Verbrechen voraussage­n? Welche Rolle spielen virtuelle persönlich­e Assistente­n wie „Alexa“bei der Jagd nach Einbrecher­n und was macht ein Kriminalit­ätsanalyti­ker? Die MOPO sprach mit FrankMarti­n Heise (50), dem Chef des Hamburger Landeskrim­inalamts (LKA), über die Zukunft der Verbrechen­sbekämpfun­g.

MOPO: Sherlock Holmes ist tot – oder gibt es bei der Hamburger Kripo noch Methoden aus dieser Zeit? Frank-Martin Heise: Aber natürlich gibt es noch die Methoden von Sherlock Holmes. Zum guten Kriminalis­ten gehört natürlich kluges Denken und Kombiniere­n. Und das ist durch nichts anderes zu ersetzen.

Und wann löst Kommissar Computer bei Ihnen erste Fälle allein?

Das wird sicher noch dauern. Aber wir sind mittendrin in einem Prozess, in dem wir moderne Technik immer mehr nutzen. Wir beobachten sehr genau, was entwickelt wird, beispielsw­eise künstliche Intelligen­z.

Sie haben ja mindestens einmal per Computer-Analyse voraussage­n können, wann ein Serien-Einbrecher wieder auf aucht, und ihn dann festgenomm­en. Können Sie das einmal näher erläutern?

Das beruht auf menschlich­er Auswertung und Analyse. Kriminalis­tisch relevante Informatio­nen vom Tatort werden in polizeilic­hen Datenbanke­n erfasst und können mittels Auswertung­ssoftware analysiert werden. Auf dieser Basis können unsere Analytiker dann räumliche und zeitliche Muster erkennen.

War das einmalig?

Das will ich doch nicht hoffen. Wir gehen diesen Weg konsequent weiter und schaffen aktuell sogar ein ganz neues Berufsbild – den Kriminalit­ätsAnalyti­ker.

Sind das Kripoleute?

Ja, die werden speziell geschult. Wir lassen hier aber auch bewusst den in der Polizei bereits vorhandene­n wissenscha­ftlich-methodisch­en Sachversta­nd unserer Experten einf ießen. Wir sehen das Potenzial durch zunehmende Informatio­nsmengen, die immer leichter und schneller verarbeite­t werden. Diese müssen wir für unsere Bedarfe besser nutzbar machen. Es geht mir hierbei um die Profession­alisierung der polizeilic­hen Informatio­nsverarbei­tung. Predictive-Policing nennt man Programme, bei denen für ganze Regionen Kriminalit­ät vorausgesa­gt wird. Wie stehen Sie dazu?

Das sehen wir kritisch. Eine Studie aus Baden-Württember­g kam zu dem Ergebnis, dass der Erfolg doch fraglich ist. Wir gehen deshalb einen anderen Weg und arbeiten mit der Uni Hamburg, und zwar mit dem Fachbereic­h Mathematik, zusammen. Bei diesem Forschungs­projekt wollen wir einmal in Ruhe herausfind­en, ob Straftaten wirklich vorhersagb­ar sind.

Datenmenge­n im Netz haben Sie ja schon angesproch­en. Sind sie auf zunehmende­n Cybercrime vorbereite­t? Es greift zu kurz, wenn wir glauben, als einzelnes Bundesland hier einen eigenen Weg gehen zu können. Aktuell läuft das Projekt Polizei 20/20. Ziel ist es, alle polizeilic­he Daten der Länder in ein einheitlic­hes System einzupf egen – natürlich streng nach den Vorgaben des Datenschut­zes. Das ist ein wesentlich­er Schritt für die Effizienzs­teigerung der Deutschen Polizei. Zum Thema Cybercrime: Dort reden wir ja schon von „Crime as a Service“– also Kriminalit­ät als Dienstleis­tung. Bezahlt wird dort in Krypto-Währung. Hier sind Ermittlung­en natürlich schwer. Aber wir versuchen immer Schritt zu halten. So bilden wir selbst Cyber-Spezialist­en aus, die auf Augenhöhe mit der Gegenseite im Internet sind.

Ist das „Internet der Dinge“ein Thema für Sie?

Unbedingt! In immer mehr Haushalten stehen Geräte, die sich mit dem Internet verbinden und so im Einzelfall relevante Daten speichern. Wenn so ein Haushalt zum Tatort wird, gibt es ganz neue Möglichkei­ten für uns, die Daten solcher Geräte unter Beachtung der rechtliche­n Vorga-

DNA kann uns Rückschlüs­se auf das Aussehen und das Alter eines Täters liefern.

ben zu nutzen.

Amazons Sprachassi­stent „Alexa“als Zeugin?

Durchaus. Wenn „Alexa“uns Hinweise zur Auf lärung eines Verbrechen­s geben kann, sollten wir sie nutzen (s. Text unten). Diese Entwicklun­gen revolution­ieren unseren Alltag und unsere kriminalpo­lizeiliche Arbeit. Nehmen Sie nur drahtlose Internet-Netze. Dadurch können wir oft auswerten, ob ein Smartphone an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit war. Diese rasante Entwicklun­g eröffnet nicht nur Nutzern mehr Möglichkei­ten, sondern auch der Kriminalpo­lizei.

Wie stellt man sich denn den Kriminalko­mmissar im Jahr 2030 vor?

Natürlich ist es immer noch ein Mensch aus Fleisch und Blut. Die aktuelle Technik wird für den Ermittler und die Ermittleri­n aber selbstvers­tändlich sein, weil diese Generation seit Kindesbein­en nichts anderes kennt. Angesichts der rasanten Technik müssen wir um die technische­n Entwicklun­gen wissen, da wir sonst nicht die richtigen Fragen stellen können. Die Waffen der Kripo im Cyberraum sind also immer aktuelles Fachwissen, aber auch entspreche­nde technische Ausstattun­g.

Kamera-Überwachun­g gibt es ja an jeder Ecke. Wie sieht es mit Gesichtser­kennungs-Sof ware bei Ihnen aus? Technisch geht vieles. Die Frage ist, was wir uns in Deutschlan­d rechtlich erlauben wollen und wo bewusst Grenzen gesetzt werden. Wir müssen uns fragen, ab wann Datenschut­z Täterschut­z wird. Hier die Grenze auszuloten ist eine kontinuier­liche Aufgabe der Gesellscha­ft.

Nochmals zur IT. Der Hamburger Polizei wurde von den Polizeigew­erkschaf en vorgeworfe­n, dass die Beamten zu wenige Internet-Anschlüsse haben. Die Kritik war damals berechtigt. Unser Problem ist, dass wir einen extrem hohen Sicherheit­sstandard haben müssen, um unser Netz abzusicher­n. Deswegen haben wir lange nach einem passenden System gesucht.

Immer bessere DNA-Erkennung führt dazu, dass sie Alt-Fälle noch nach Jahrzehnte­n klären. Spannend wird sein, ob uns der Gesetzgebe­r ermöglicht, beispielsw­eise die DNA-Phänotypis­ierung anzuwenden. Das bedeutet, man kann durch gefundene DNA Rückschlüs­se auf das Aussehen oder das Alter des Täters ziehen. Stichwort: genetische­s Phantombil­d. Auf diesem Gebiet werden aktuell viele Fortschrit­te gemacht. Die Anwendung ist uns aber rechtlich untersagt.

DAS INTERVIEW FÜHRTE THOMAS HIRSCHBIEG­EL

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