Hamburger Morgenpost

Der letzte Held gegen Holstein

Kiel-Schreck von 1962 spricht in der MOPO

- Von FOLKE HAVEKOST

Wenn Rolf Fritzsche heute in Kassel seinen Fernseher einschalte­t, dann wartet er auf seinen Nachfolger. Der 84-Jährige ist der bislang letzte HSV-Matchwinne­r in einem Heimspiel gegen Holstein Kiel.

„Die Kieler waren damals unvorherge­sehen stark und hatten auch Ambitionen, in die neugegründ­ete Bundesliga zu kommen“, erinnert er sich an den 25. November 1962, als er beim 3:2-Sieg gleich zweimal traf. „Dabei war ich eher Einfädler als Torjäger“, schmunzelt Fritzsche. Der andere HSV-Torschütze hieß Uwe Seeler.

Zwei von 13 Fritzsche-Toren, die dazu beitrugen, dass der HSV 1963 Gründungsm­itglied der Bundesliga und zum 25. Mal Norddeutsc­her Meister wurde: „Dafür gab’s eine dolle Feier im Hotel Atlantic, zu der auch unsere Frauen eingeladen waren.“

Dass der HSV und Kiel sich jetzt zweitklass­ig wiedersehe­n, überrascht auch den Doppeltors­chützen von damals. „Es ist schon sehr bitter, wenn eine Stadt wie Hamburg mit diesen Möglichkei­ten nicht in der Ersten Liga ist.“

Mit verschlung­enen Wegen kennt sich Fritzsche allerdings sehr gut aus. Der gebürtige Thüringer spielte zweimal für die DDR-Auswahl und knipste für Vorwärts Berlin (65 Spiele, 26 Tore), fühlte sich beim Armeeklub aber zunehmend unwohl. „Dort wurde alles immer straffer, mit Uniformen und so“, berichtet Fritzsche: „Ich wollte nicht mehr länger Soldat sein.“

1959 – die Mauer war noch nicht gebaut – setzte er sich nach West-Berlin ab und kam über Tennis Borussia Berlin zum Südwest-Spitzenklu­b FK Pirmasens. Während seines Italien-Urlaubs 1962 verpflicht­ete ihn der HSV als Ersatz für Klaus Stürmer, der zum FC Zürich gewechselt war.

Nach einem Jahr mit 27 Einsätzen zog Fritzsche bereits weiter, obwohl der HSV ihm einen Vierjahres­vertrag mit 840 Mark Nettogehal­t anbot. „Eigentlich war ich in Hamburg sehr zufrieden, aber für die Bundesliga hätte ich auch vormittags trainieren müssen“, erklärt der Stürmer, der schon länger Probleme mit seinem rechten Knie hatte und als damals 29-Jähriger auch eine berufliche Perspektiv­e suchte. In Hamburg war er vor der Profifußba­ll-Ära im Innendiens­t der HolstenBra­uerei beschäftig­t.

So hieß es: Hessen statt Hamburg und Herkules statt Holsten. Fritzsche wechselte zum Zweitliga-Klub Hessen Kassel, bei dem er zur lokalen Legende wurde und für die Herkules-Brauerei arbeiten konnte. In der nordhessis­chen Großstadt wohnt er mit seiner Frau Charlotte bis heute.

Zum HSV hält er lockeren Kontakt, mit seinem alten Kapitän Jochen Meinke telefonier­t Fritzsche regelmäßig. Das 4:4 gegen Juventus Turin sah er 2000 im Volksparks­tadion, auch für die Feiern zum 125. HSV-Geburtstag reiste er 2012 nach Hamburg. „Es war eine kurze, aber schöne Zeit“, resümiert Fritzsche sein HSVJahr: „Jetzt drücke ich die Daumen, dass es mit dem Wiederaufs­tieg klappt.“

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Mit 13 Toren schoss Angreifer Rolf Fritzsche den HSV in der Saison 1962/63 zum Nordtitel.

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