Hamburger Morgenpost

Darüber zu reden, ist wie eine Befreiung für sie

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Ständig hört sie ihre Mutter sagen: „Wärst du doch nur verreckt, als du auf die Welt gekommen bist.“

Martina: „Wir Kinder waren nichts wert, und das sagten uns unsere Eltern immer wieder.“Haussklave­n seien sie gewesen. Ewig in Angst, den Vater oder die Mutter zu reizen.

Sie schluckt. Wenn sie von damals erzählt, weint sie. Darüber reden, das macht sie inzwischen oft. Es ist wie eine Befreiung. Jahrelang hat sie geschwiege­n. Jetzt will sie, dass das Thema Kindesmiss­handlung nicht unter den Teppich gekehrt wird.

So wie in den 1960er und 1970er Jahren, als das fast als Kavaliersd­elikt durchging. Es war ein Verbrechen, über das niemand sprach. Es war ein Tabu. Martina nickt: „Bei uns im Umfeld haben viele etwas mitbekomme­n, aber sie haben geschwiege­n.“

Noch heute ist das so.

Vor zwei Jahren schrieb Martina mit ihrer Schwester Sabine (sie ist zwölf Jahre jünger) ein Buch über ihre Kindheit: „Und dahinter war die Hölle“(erschienen bei Amazon). Auf Facebook haben die Schwestern eine Seite eingericht­et. Damit wollen sie aufrütteln. Denn ein Tabu ist Missbrauch immer noch. Und oft bleibt er unentdeckt.

Gerade ist ein verstörend­er Missbrauch­sprozess zu Ende gegangen. Seit April standen vor Gerichten in Freiburg, Karlsruhe und Kiel sieben Männer und eine Frau, alle verbunden über ein pädokrimin­elles Netzwerk, das Ermittler so zuvor noch nicht enttarnt hatten.

Opfer waren ein heute sechs Jahre altes Mädchen und ein heute zehn Jahre alter Junge aus Staufen. Beide waren von Berrin T. und deren Lebensgefä­hrten Christian L. sexuell schwer missbrauch­t worden.

Den Jungen – den Sohn von Berrin T. – verkaufte das Paar zudem über das Darknet an andere Männer, damit diese ihn vergewalti­gen konnten.

Am Ende der beispiello­sen

 ??  ?? Martina und ihr Partner Rolf. Beide lernten sich vor 20 Jahren kennen. Seitdem sind sie zusammen. Sie leben in Berlin.Er sagt: „Ich habe erst spät von ihrer Kindheit erfahren.“Erst als sie alles niedergesc­hrieben habe, sah er, was sie erlebt hatte.
Martina und ihr Partner Rolf. Beide lernten sich vor 20 Jahren kennen. Seitdem sind sie zusammen. Sie leben in Berlin.Er sagt: „Ich habe erst spät von ihrer Kindheit erfahren.“Erst als sie alles niedergesc­hrieben habe, sah er, was sie erlebt hatte.

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