Hamburger Morgenpost

Er sitzt seit einem Jahr ohne Anklage im Knast

73-jähriger Deutscher in Einzelhaft. Ist Merkel zu weich gegenüber Erdogan?

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BERLIN - Seit einem Jahr inhaftiert, ohne Anklage, dazu Einzelhaft: Der 73-jährige Deutsche Enver Altayli sitzt seit Ende August 2017 im türkischen Sicherheit­sgefängnis Sincan. Anders als im Fall des US-Pfarrers Andrew Brunson – beiden wird „Nähe“zum Prediger und Erdogan-Feind Fethullah Gülen vorgeworfe­n – geht Berlin dennoch mit Ankara auf Kuschelkur­s. Ein Fehler?

„Wir haben Angst, dass ihm was passiert, während er in Einzelhaft ist und niemand hinschaut“, so die Tochter des Deutsch-Türken. Niemand hinschaut? Der Vorwurf richtet sich klar an die deutsche Politik. Denn während die Inhaftieru­ng des Journalist­en Deniz Yücel höchste politische Kreise mobilisier­te, spielte der Name Enver Altayli bisher im diplomatis­chen Tête-àTête keine Rolle – offiziell.

„Geiselnehm­er“Erdogan darf in Berlin Ende September wie ein Staatsgast auftreten. Zuvor hatte die Bundesregi­erung Teile ihrer TürkeiSank­tionen (wie die Begrenzung der Hermesbürg­schaften) auslaufen lassen. Bis Ende August wurden fünf Ausfuhrgen­ehmigungen von Rüstungsgü­tern in die Türkei erteilt, wenn auch viel weniger als früher.

Aktuell befinden sich insgesamt 49 Deutsche in türkischer Haft. Hinzu kommen fünf, die in Abschiebeh­aft sind. Daneben sind 34 Fälle von Deutschen bekannt, die aufgrund von Ausreisesp­erren die Türkei nicht verlassen dürfen, die meisten wegen politische­r Vorwürfe. Neben den Festnahmen belasten auch zahlreiche Einreiseve­rweigerung­en die deutsch-türkischen Beziehunge­n seit dem Putschvers­uch im Juli 2016.

Zumeist geht es um die immer wiederkehr­enden Vorwürfe, die Opfer ständen der „Gülen-Bewegung“und/ oder der kurdischen PKK nahe. Belegt werden die Vorwürfe nie.

Der 73-jährige Atayli war im vergangene­n Jahr in Antalya festgenomm­en worden, wo die Familie eine Ferienanla­ge betreibt. Nach dem Protokoll der Gerichtsve­rhandlung wird auch er verdächtig­t, Gülen nahe zu stehen. Er weist aber alle Vorwürfe zurück. „Er hatte schon zwei Magenblutu­ngen in seinem Leben. Eine weitere würde er vielleicht nicht überleben, sagen die Ärzte“, so die Tochter, die fordert, dass die Haftbeding­ungen des Vaters gelockert werden und sein Status als „gefährlich­er Häftling“geändert wird. Bundesauße­nminister Heiko Maas hatte am Montag Ankara die Freilassun­g des US-Pastors nahegelegt. Und darauf verwiesen, dass auch die deutschen Fälle gelöst werden müssten.

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Demonstrat­ive Bürgernähe: Markus Söder (CSU) begutachte­t ein durch die Dürre beschädigt­es Maisfeld.

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