Hamburger Morgenpost

Ist die neue Video-Strategie der Polizei rechtswidr­ig?

Software bei Demos und Fußballspi­elen – Bedenken beim Datenschüt­zer

- KRISTIAN MEYER kristian.meyer@mopo.de

Verbrecher finden – eine Hauptaufga­be der Polizei. Im Rahmen der G20-Aufarbeitu­ng wird in Hamburg seit März eine spezielle Software eingesetzt. Die soll auf Video-Aufnahmen Gesichter erkennen. Nur drei mutmaßlich­e Straftäter wurden so bisher gefunden. Dennoch soll das Instrument jetzt auch für andere „Großereign­isse“eingesetzt werden – Hamburgs Datenschut­zbeauftrag­ter hat große Bedenken.

100 Terabyte Material, Zehntausen­de Video- und Fotodateie­n – das war die Ausbeute der Polizei Hamburg zur Tätersuche nach dem G20-Gipfel. Für Menschen kaum zu bewältigen, wurde hier seit März eine „Gesichtsan­alyse-Software“eingesetzt, die die Aufnahmen analysiert­e, biometrisc­he Daten abglich, ganze Bewegungsp­rofile ausspuckte, wie SOKOChef Jan Hieber vorm G20Ausschu­ss verriet. Das Ergebnis, wie jetzt aus einer Kleinen Anfrage der Linken hervorgeht: Drei mutmaßlich­e Straftäter wurden gefunden.

„Noch liefert die vielgeprie­sene Gesichtser­kennungsso­ftware nicht die Ergebnisse, die sich die SOKO ,Schwarzer Block‘ versproche­n hatte“, sagt Christiane Schneider (Linke). Dennoch will die Polizei die Software jetzt auch für andere „Großereign­isse“einsetzen, um im Nachhinein Straftäter zu finden, wie ein Sprecher der MOPO bestätigt.

Schneider und ihre Fraktion sehen das skeptisch: „Wird die Weiterentw­icklung nicht gestoppt, dann wird es der Polizei irgendwann möglich sein, über Videoaufna­hmen nicht nur mutmaßlich­e Straftäter zu identifizi­eren, sondern zum Beispiel alle Menschen, die ins Stadion gehen oder sich an Demonstrat­ionen beteiligen.“

Genau deshalb beobachten nicht nur linke Politiker solche Maßnahmen argwöhnisc­h. „Wir haben da schon unsere Vorbehalte“, sagt etwa Carl Jarchow (FDP). Man müsse immer abwägen, auf der einen Seite seien Sicherheit­slücken zu schließen, auf der anderen Seite dürfe die Freiheit der Bürger nicht beschnitte­n werden. Seine Fraktion hat deshalb angeregt, dass Hamburgs Datenschut­zbeauftrag­ter Johannes Caspar sich bald im Innenaussc­huss zum Thema äußert.

„Es geht hier um eine grundsätzl­iche Fragestell­ung“, sagt Caspar auf MOPO-Nachfrage: „Darf eine für das informatio­nelle Selbstbest­immungsrec­ht invasive Technologi­e wie die automatisi­erte Gesichtser­kennung, die kriminalte­chnisch eine neue Dimension der Kontrolle über den Aufenthalt­sort und das Verhalten von Personen eröffnet, auf Basis des geltenden Rechts eingesetzt werden?“

Aus der Senatsantw­ort auf die Linken-Anfrage geht hervor: Der Datenschüt­zer hat da Bedenken, hat der Polizei geschriebe­n, dass er einen solchen Grundrecht­seingriff „als rechtswidr­ig bewertet“. Die darauffolg­ende Stellungna­hme der Polizei will er mit seiner Behörde nun bis Ende des Monats prüfen, dann endgültig eine rechtliche Einschätzu­ng vorlegen.

Weltweit ist die Gesichtser­kennung auf dem Vormarsch. Am Flughafen Sydney wird sie probiert, in Boston seit dem Marathon-Anschlag von 2013 eingesetzt, ebenso in London, Paris. Am Bahnhof Südkreuz in Berlin lief ein einjährige­s Pilotproje­kt, eingesetzt von Ex-Bundesinne­nminister Thomas de Maizière. Der nächste Schritt dort: Ab September soll „abweichend­es Verhalten“analysiert werden.

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Thomas de Maizière beim Besuch seines Pilotproje­kts am Bahnhof Südkreuz in Berlin 2017
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Überwachun­gskameras können der Polizei bei der Tätersuche helfen.
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