Macht die Innenstadt autofrei!
Hamburg könnte in Deutschland eine Pionierrolle einnehmen und die Zukunft einleiten, findet der gebürtige Däne Jørn S. Jørgensen
Als gelernter Mediziner sage ich immer: Mit dem Autofahren in der Innenstadt ist es wie mit dem Rauchen. Früher oder später müssen Sie ohnehin aufhören. Oder mit den Folgen leben. Ich glaube: Die Innenstadt mit weniger Autos wird sowieso kommen. Jetzt aber ist noch Zeit, diesen Wandel zu gestalten. Ausländische Metropolen wie Kopenhagen haben es vorgemacht. Und Hamburg? Könnte in Deutschland eine Pionierrolle einnehmen und die Zukunft einleiten!
Bei den „EuroEyes Cyclassics“an diesem Wochenende sind ja viele Straßen gesperrt. Das nervt sicher so manchen Autofahrer. Was aus heutiger Perspektive verständlich ist. Aber wenn Sie mit Ihrem Rad über den freien Asphalt rollen, keine direkten Abgase schlucken, keinen Rechtsabbiegern ausweichen müssen, einfach so durch die City fahren können, denken Sie dann nicht auch: Das ist doch herrlich! So geht es mir zumindest.
Und da müssen wir ansetzen, wenn wir über die Stadt der Zukunft nachdenken, die deutlich weniger Autos haben wird. Das Positive herausstreichen! Noch ist der Gedanke vielen fremd. Und an Neues müssen sich die Menschen erst gewöhnen, sie haben Ängste und Bedenken. Manchmal zu Recht, aber in dem Fall wäre die Skepsis sicher leicht zu nehmen.
Ich sehe eine lebenswerte grüne, nicht smogverseuchte Stadt, von der alle profitieren, in der alle lieber leben, wenn ich an die autofreie Stadt denke.
Der Einzelhandel etwa hat ja immer etwas Angst. Fürchtet, dass die Kunden ausbleiben. Als gebürtiger Däne führe ich immer gerne Kopenhagen an. Das Beispiel zeigt: Das Gegenteil ist der Fall! Die Geschäfte dort haben von der Umstrukturierung profitiert. Und hört man sich bei der Bevölkerung um, dann sind alle zufrieden damit, wie es jetzt ist. Allerdings: Wie eingangs erwähnt, so ein Wandel muss gestaltet werden!
Thema Mobilität und Infrastruktur: In Kopenhagen gab es eine allgemeine Ausschreibung für kreative Ideen. Elektrobusse, E-Bike-Taxis, mehr Fahrradwege, vielleicht ganz andere
Wege – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Ich bin sicher, dass es unter den Hamburgern genügend findige Köpfe mit großartigen Ideen gibt, wie Mobilität trotz fehlender Autos gelingen kann.
In meiner Vision geht es auch um keine vollkommen autofreie Stadt. Lieferanten & Co. dürften natürlich noch Waren bringen. Vielleicht dürften auch Anwohner noch reinfahren. Aber die großen Stauströme von heute, die verpestete Luft, der Lärm – all das würde der Vergangenheit angehören. Nicht umsonst dürfen schon jetzt Dieselfahrzeuge in Teilen der Stadt nicht mehr fahren. Natürlich geht das nicht von jetzt auf gleich. Man könnte in der Innenstadt um Jungfernstieg und Gänsemarkt damit anfangen und das dann peu à peu ausweiten.
Und das alles (Stichwort: Gestalten!) müsste natürlich einhergehen mit einer Verschönerung des Stadtbildes dort. Was auch wieder dem Einzelhandel helfen würde. Nehmen Sie den Neuen Wall. Kompliziert hinzukommen mit dem Auto, keine Parkplätze und – nicht wirklich schön. Einkaufen hat eben auch mit Emotionen zu tun. Ich sehe für die Zukunft dort mehr Grün, Straßencafés, fröhliche, nicht so gehetzte Menschen. Die sich dann dort auch deutlich lieber aufhalten würden. Und einkaufen. Aber eben nicht nur.
Als Mediziner will ich auch die positiven Effekte auf die Gesundheit nicht verhehlen: Die Menschen würden sich mehr bewegen, weniger Feinstaub und Abgase einatmen, wären weniger gestresst. Und für eventuelle Schwierigkeiten wie den Transport der Einkäufe ließen sich auch Lösungen finden. Vielleicht mehr Lieferservices nach Hause, vielleicht mehr ELastenräder. Ohnehin ein Mobilitäts-Wirtschaftszweig, der immer mehr im Kommen ist!
Ich finde: Hamburg könnte, nein, sollte mit gutem Beispiel vorangehen. Und nach Metropolen wie Kopenhagen, Oslo oder Madrid als erste deutsche Stadt die autofreie Stadt vorantreiben. Das mag wie Zukunftsmusik klingen, ist aber vielleicht gar nicht mehr so weit entfernt.
Als Mediziner will ich auch die positiven Effekte auf die Gesundheit nicht verhehlen. Jørn S. Jørgensen