„Es gibt genug Platz für mehr Wachstum“
Franz-Josef Höing (53) spricht in der MOPO über umstrittene Bauprojekte und das künftige Gesicht der Stadt
Hamburgs Zukunft liegt in seiner Hand – wenn es ums Bauen geht. Seit neun Monaten ist Franz-Josef Höing (53) Hamburgs oberster Stadtplaner. Die MOPO sprach mit dem Oberbaudirektor über umstrittene Bauprojekte und seine Visionen für unsere Stadt.
MOPO: Herr Höing, wofür stehen Sie eigentlich?
Franz-Josef Höing: Ich habe mich mehrfach dazu geäußert, wie die Stadt sich weiterentwickeln soll und wo die Orte sind, mit denen wir uns beschäftigen müssen. In der Vergangenheit lag das Augenmerk zu Recht auf den zentraleren Lagen der Stadt, wie etwa der Hafen City. Jetzt müssen wir uns verstärkt um Quartierentwicklung an den Rändern kümmern.
Zum Beispiel?
Oberbillwerder ist eines unserer großen Stadtentwicklungsprojekte. In den folgenden 15 Jahren wird dort ein Stadtteil für 16000 Menschen entstehen. Eine Mammutaufgabe und eine mutige Entscheidung der Stadt, die gebauten Grenzen dort weiter nach außen zu schieben. Das Quartier soll modern werden. Ohne Autos, dafür mit Sport- und Gesundheitsangeboten. Ist das die Blaupause für künftige Projekte? Ich bin kein Freund davon, nach Rezept zu bauen. Aber auch bei künftigen Bauprojekten wird es Sinn machen, nicht nur an Wohnnutzung
Hamburg ist im Vergleich zu anderen Städten dieser Größe die am wenigsten dicht bebaute Stadt. Franz-Josef Höing
zu denken. Wir brauchen neben baulicher Dichte auch eine soziale Vielfalt, verschiedene Nutzungen, ein möglichst breites Spektrum unterschiedlichster Gebäudetypologien. Mir widerstrebt es, mit einer einzigen Gebäudestruktur komplexes Leben einfangen zu wollen.
Geschieht nicht genau das derzeit in der Neuen Mitte Altona?
Das Konzept für Oberbillwerder trägt für die Mitte Altona nicht.
In dem Fall ist es richtig, keine vordergründige Vielfalt zu erzeugen, sondern die Stadt dort in Anlehnung an den Bestand weiterzubauen. Damit sie sich gut in die Umgebung einpasst. Das finde ich gelungen.
Gibt’s in Hamburg überhaupt noch Platz, um Projekte zu realisieren?
Ich kenne die Debatte, die teilweise emotional geführt wird. Fakt ist: Unsere Stadt wird wachsen. Hamburg ist im Vergleich zu anderen Städten dieser Größe die am wenigsten dicht bebaute Stadt. Den Platz gibt es.
Klingt nach Grünflächenfraß ...
So leicht machen wir es uns nicht! Das Ziel einer vornehmlichen Innenentwicklung gilt nach wie vor. Wir setzen auf eine Weiterentwicklung der bestehenden Stadt. Es gibt eine Reihe von Lagen, wo das möglich ist. An den Magistralen sollen Gebäude aufgestockt werden, um Wohnraum zu schaffen. Es gibt Leute, die sich Wohnen dort wegen Lärm- und Abgasbelastung nicht vorstellen können. Sie?
Wenn man die Hauptstraßen abfährt, wird man nachdenklich. Eigentlich müssten sie Rückgrate der Stadtentwicklung sein. Oft sind sie aber nur breite Schneisen durch die Stadt, wo die Bebauung links und rechts eher zufällig entstanden ist. Da wechseln sich mancherorts Tankstelle, Autohaus und Baumarkt mit großen Parkplätzen ab.
Der Raum ist also verschenkt?
Vielleicht nicht verschenkt, aber zu wenig genutzt. Das muss nicht so bleiben. Dort können auf bisher ungenutzten Flächen etwa Wohnungen entstehen wie aktuell in Bramfeld auf einem ehemaligen
Parkplatz. Aber wir müssen aufpassen, dass wir keine Ängste schüren. Es wird keine Häuserschluchten geben. Wirklich nicht?
Wir werden unsere Stadt nicht entstellen. An einigen Stellen werden sicher Gebäude mit fünf bis sechs Geschossen entstehen, aber nie über die gesamte Strecke einer Magistrale hinweg. Wir reden teilweise nicht immer nur über Wohnungsbau entlang der Magistralen, sodann auch über neue Arbeitsstandorte, über Quartiere des öffentlichen Raumes und auch über das Freilassen von Flächen.
Anderes Thema: Das Überseecenter in der Hafen-City ist umstritten. Brauchen wir so eine austauschbare Shopping-Meile noch?
Das Überseecenter ist mehr als nur Einzelhandel. Dort entsteht ein Hotel, dort gibt’s ein Kreuzfahrtterminal, Büros, Wohnungen. Auch ein Kino wird’s geben. Wir wollen immer alle, dass die Innenstadt lebendig ist, auch nach Ladenschluss. Das geschieht hier.
Aber machen die vielen austauschbaren Geschäfte wirklich Sinn?
Es wird sicher bekannte Einzelhandelsformate geben. Aber auch neue Angebote. Dinge, die es in Hamburg bislang nicht gibt. Damit muss sich die bestehende Innenstadt auseinandersetzen, die Konkurrenz annehmen, sich interessanter machen.
Die CDU will die City mit einer Alsterpromenade beleben. Was halten Sie von dem Konzept?
Die Entwürfe haben ja eine Debatte ausgelöst, die müssen wir weiterführen. Ich glaube aber nicht, dass das bislang Vorgeschlagene eins zu eins so umgesetzt werden sollte. Die Frage aber, was diesen Raum noch interessanter und lebendiger macht, ist durchaus berechtigt. Gleichwohl gilt es, behutsam mit dem Binnenalsterraum umzugehen, denn er ist ja schon heute die Visitenkarte der Stadt.
Klingt nicht so, als hätte das Thema jetzt höchste Priorität bei Ihnen ... Wir werden uns zeitnah darum kümmern und einen Vorschlag zum weiteren Verfahren machen. Das Thema verschwindet nicht in der Schublade.