Todesflut im WanderParadies
Zehn Menschen sterben nach Starkregen in Schlucht
CIVITA - Als die Retter an der Raganello-Schlucht eintrafen, spielten sich dramatische Szenen ab. „Wasser, Schlamm, Geröll. Und mittendrin die Körper der Ausflügler. Wir wussten sofort, dass etwas Schreckliches passiert ist“, so Guido Umile von der Bergrettung.
„Die enormen Wassermassen wurden in die Schlucht geleitet und kamen mit vernichtender Kraft“, so Umile zum „Corriere della Sera“. Mehrere Ausflügler waren in der süditalienischen Region Kalabrien von der Sturzflut überrascht worden. Mindestens zehn Menschen starben.
Am Dienstag, einen Tag nach dem Unglück, suchten Rettungskräfte weiter nach Vermissten. Doch das sonst so klare Wasser des Wildbachs ist noch immer schmutzig, trüb. „Das Wasser hat alles mitgerissen, leider auch Menschen“, sagte Domenico Gioia, der für die italienische Vereinigung AIGAE Exkursionen durch Kalabrien führt.
Die Raganello-Schlucht liegt im Nationalpark Pollino, bei Wanderern ist sie sehr beliebt. Die Felswände ziehen sich bis zu 400 Meter hoch, doch der Zugang zur Schlucht ist stellenweise leicht und wird deshalb nicht kontrolliert. Auch deswegen ist noch unklar, wie viele Menschen sich zur Zeit der Sturzflut in der Schlucht befanden. 23 Menschen wurden gerettet, elf von ihnen liegen noch im Krankenhaus. Unter den Geretteten sind auch zwei Kinder.
Am Montag sei ein starkes Unwetter über der Region niedergegangen, allerdings nicht unmittelbar über der Schlucht, erklärte Gioia. Womöglich merkten die Ausflügler nicht, wie viel Regen in den umliegenden Bergen niederging und den „fast trockenen Bach“in einen reißenden Fluss verwandelte. „So eine Situation hatten wir hier seit 40, 50 Jahren nicht mehr“, sagte Gioia. Die Sommer sind meist sehr trocken.
„Wir hörten ein Donnern, gleich danach stürzte eine Wassermauer hinunter, die uns wegriss“, beschreibt eine gerettete Italienerin den Moment, als die Flutwelle kam.
In der Sturzflut sollen auch Teilnehmer einer geführten Tour und ein erfahrener Guide umgekommen sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun, ob die Tragödie vermeidbar gewesen wäre. Sie hat Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung aufgenommen. Giacomo Zanfei, Vizepräsident der kalabrischen Bergrettung, warnt vor voreiligen Schlüssen. Die Guides in der RaganelloSchlucht seien sehr erfahren. „Deswegen wird hier niemand kriminalisiert. Das sind Ereignisse, die ein Mal im Leben passieren.“