Hamburger Morgenpost

Hochstaple­r jahrelang als Notarzt im Einsatz

Polizei fahndet nach dem falschen Mediziner

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FLENSBURG - Menschen, die ihn im Einsatz erlebt haben, sind voll des Lobes. Jahrelang war Sebastian S. als Notarzt auf Konzerten, Fußballspi­elen und Rennstreck­en im Dienst. Einem Motorradfa­hrer, der bei 200 km/h in eine Leitplanke gerast war und letztlich ein Bein verlor, soll er das Leben gerettet haben. Nur: Sebastian S. ist gar kein Arzt. Er hat noch nicht mal Medizin studiert.

Wie der 35-Jährige aus der Nähe von Flensburg seine Kollegen beim Arbeiter-Samariterb­und-Bund (ASB), Freunde und sogar Angehörige täuschen konnte, will nun die Staatsanwa­ltschaft Flensburg klären. Wann es zu einer Anklage kommt, ist allerdings offen. Denn Sebastian S. ist untergetau­cht.

Seine Hochstaple­r-Karriere startet er vor rund 18 Jahren, als er sich als ehrenamtli­cher Helfer beim ASB andient, wenig später arbeitet er dort als Rettungssa­nitäter. Er täuscht vor, ein Medizinstu­dium an der Uni Hannover zu absolviere­n, berichtet dann von seiner Facharztau­sbildung zum Chirurgen am Unikliniku­m in Kiel. Er legt gefälschte Urkunden vor und wird gegen Honorar als Notarzt bei Veranstalt­ungen eingesetzt, hauptsächl­ich im Motorsport­park im dänischen

Padborg.

„Er war absolut kompetent“, sagt eine ehemalige ASB-Angestellt­e, die er zur Sanitäteri­n ausgebilde­t hat, dem Magazin „Spiegel“. „Er wusste über jedes medizinisc­he Problem Bescheid. Er zeigte uns, wie man Druckverbä­nde anlegt, wie man korrekt Spritzen setzt, wie man Verletzte wiederbele­bt.“

In seinem Heimatort in der schleswig-holsteinis­chen Provinz genießt er als „Herr Doktor“Ansehen. Selbst seine Ehefrau soll lange nicht gewusst haben, dass er kein richtiger Mediziner ist. Sie soll es auch gewesen sein, die ihn letztlich bei der Polizei verpfiffen hat. Nach einer Hausdurchs­uchung im Dezember 2017, bei der die gefälschte Approbatio­n auf seinem Computer entdeckt wird, soll der Vater einer Tochter alles gestanden haben. Wenige Tage später ist Sebastian S. in einen Verkehrsun­fall verwickelt. Wollte er sich töten? Er kommt einige Zeit in eine psychiatri­sche Klinik.

Bis zum Frühsommer dieses Jahres lebt Sebastian S. allein und zurückgezo­gen in seinem Haus. „Ich versuche gerade, mir ein neues Leben aufzubauen“, erklärte er gegenüber dem „Spiegel“. Er habe einen neuen Job in Dänemark. Kurz darauf verliert sich seine Spur.

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Gegen Honorar war Sebastian S. für einen Rettungsdi­enst als Notarzt tätig. Sein Wissen hat er aus medizinisc­hen Fachbücher­n.

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