Hamburger Morgenpost

Polizeisch­utz für den Rocker-Boss

Dariusch F. (38) kämpft nach Schüssen auf dem Kiez in Klinik um sein Leben.

- WIEBKE BROMBERG w.bromberg@mopo.de

Ein tätowierte­r Glatzkopf sitzt zusammenge­sackt hinter dem Steuer seines schneeweiß­en Bentleys. Er ringt mit dem Tod. Es ist der Hamburger Hells-AngelsBoss Dariusch F. (38). Der Mann wurde an einer Ampel am Rande der Reeperbahn auf St. Pauli in seinem Luxus-Wagen niedergesc­hossen. Eine private Fehde oder die Rache verfeindet­er Rocker? Es ist Sonntag, kurz vor Mitternach­t: Dariusch F. steht mit seinem Bentley an der Kreuzung Budapester Straße/Millerntor­platz an einer roten Ampel. Plötzlich hält ein Wagen neben ihm. Der Schütze eröffnet das Feuer. Er schießt vermutlich durch das geöffnete Fahrer-Fenster des Bentleys. Drei weitere Autos sollen hinter dem Luxus-Schlitten an der Ampel gewartet haben. Die Insassen müssen den blutigen Angriff mitansehen. Danach rasen der oder die Täter unerkannt davon.

Zeugen berichten, der Rocker sei von bis zu fünf Kugeln getroffen worden. Er war ansprechba­r, als er mit dem Rettungswa­gen ins Krankenhau­s St. Georg gebracht wurde. Nach MOPOInform­ationen erlitt der Mann mehrere Schussverl­etzungen, unter anderem am Kopf und Oberkörper.

Während das Opfer in die Klinik gebracht wird, schreitet eine Polizeiket­te mit 17 Beamten im Regen die Straße ab. Mit Taschenlam­pen suchen die Beamten nach Kugeln, zwei Polizeihun­de werden eingesetzt. Ein Geschoss entdecken die Ermittler in der Fassade der Kneipe „Zwick“. Am Wagen des Opfers sichern sie Blutspuren.

Auf einmal eilen drei Männer zum Tatort. Einer von ihnen behauptet, er sei der Bruder von Dariusch F. Er soll die Beamten gefragt haben, in welchem Krankenhau­s dieser sei. Immer mehr Rocker tauchen am Tatort auf. Sie wollen wissen, was passiert ist. Ein Mann ruft: „Gott, bitte lass es ihn schaffen. Er ist Vater, hat mehrere Kinder.“Die Beamten geben keine Auskünfte und versuchen die Rocker zu beruhigen. „Macht doch keinen Sinn, Rambazamba zu machen, die Ärzte im Krankenhau­s sollen in Ruhe arbeiten“, sagt ein

Polizist. Dariusch F. wird unterdesse­n notoperier­t. Er schwebt weiterhin in Lebensgefa­hr. Als die „Hells Angels“erfahren, in welcher Klinik er ist, eilen sie nach St. Georg. Bewaffnete Beamte sicherten auch gestern noch die Ein- und Ausgänge. Dariusch F. steht unter Polizeisch­utz.

Ist der Mordversuc­h eine Abrechnung im Rockermili­eu oder eine private Fehde? Fakt ist: Erst am 18. August kam es zu einer blutigen Schlägerei in der Nähe von Husum, bei der Mitglieder der „Hells Angels“und der verfeindet­en Rocker-Gang „Mongols“aufeinande­rstießen (siehe nächste Seite).

Nicht der einzige Zusammenha­ng mit den „Mongols“. Dariusch F. stand im Verdacht, mit den Schüssen auf ein Taxi mit Mitglieder­n der Mongols im Dezember 2015 an der Reeperbahn zu tun gehabt zu haben. Auch mit der Handgranat­en-Attacke auf Ex „Mongols“-Chef Erkan U. in Hoheluft wurde er in Verbindung gebracht.

Allerdings sind auch andere Hintergrün­de möglich. Aus dem Milieu heißt es, dass sich „Dari“in letzter Zeit einige Feinde gemacht habe. Auch in den eigenen Reihen. „Es war eine Frage der Zeit, bis was passiert. Dari hat enorm an Einfluss gewonnen. Das passte anderen führenden Höllenenge­ln nicht, weil der Kuchen für sie immer kleiner wurde“, sagte ein Insider der MOPO. Ein anderer berichtet davon, dass Dariusch F. einen Mitspieler beim Pokern abgezockt und es Ärger gegeben habe. Was tatsächlic­h hinter dem Mordversuc­h steckt, ermittelt jetzt das Milieu-Dezernat.

erste blutige Höhepunkt ereignete sich im Oktober 2015: Ein Sprengsatz detonierte in Hoheluft vor dem Wagen von RockerBoss Erkan U., als der gerade losfahren wollte.

Zwei Monate später die nächste Attacke, diesmal an der Reeperbahn. Vier Mongols standen vor einem Restaurant, als diverse Höllenenge­l in Autos vorbeifuhr­en und das Feuer eröffneten. Auf der Flucht stoppten die Mongols ein Taxi, mindestens sieben Projektile durchlöche­rn das Auto. Hells-Angels-Boss Dariusch F. wurde damals mit beiden Zwischenfä­llen in Verbindung gebracht.

Zuletzt war es um die Mongols still geworden. Offiziell gelten sie als aufgelöst und spielen auf St. Pauli keine Rolle mehr. Ex-Boss Erkan U., einst durchtrain­iert und mit Gesichts-Tattoo, sitzt seit Ende 2015 im Gefängnis. In der U-Haft überwand er seine Kokainsuch­t und legte deutlich zu. Offiziell läuft seine Haft bis Oktober. Weitere MongolsFüh­rungsfigur­en sind ebenfalls im Knast oder in der Versenkung verschwund­en.

Am 18. August tauchten am Rande einer Veranstalt­ung auf einem Flugplatz bei Husum Mitglieder der „Mongols MC Bad Coast Husum“auf. Andere anwesende Rocker fühlten sich durch ihr Auftreten provoziert. Auch die Hells Angels mischten bei der Schlägerei mit. Hatten die Schüsse auf den Boss der Höllenenge­l etwas mit dem Vorfall zu tun? Die Polizei ermittelt in alle Richtungen.

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 ??  ?? St. Pauli: Der Bentley des Höllenenge­ls steht nach der blutigen Attacke an der Kreuzung Budapester Straße/ Millerntor­platz.
St. Pauli: Der Bentley des Höllenenge­ls steht nach der blutigen Attacke an der Kreuzung Budapester Straße/ Millerntor­platz.
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In Szene gesetzt: Der Höllenenge­l posiert am Hafen.
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Dariusch F. (38) wird auf einer Trage in die Klinik St. Georg gebracht.
 ??  ?? Dezember 2015: An der Ecke Holstenstr­aße/Reeperbahn wird ein Mongols-Rocker in einem Taxi angeschoss­en.
Dezember 2015: An der Ecke Holstenstr­aße/Reeperbahn wird ein Mongols-Rocker in einem Taxi angeschoss­en.
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Nach der Attacke auf der Reeperbahn standen geschockte Mongols vor dem Lokal.

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