Hamburger Morgenpost

„Wir werden von Leuten als Müll angesehen“

Zwei Regisseuri­nnen bringen eine berührende Dokumentat­ion über vier Obdachlose auf die

- Von SIMONE DECKNER

Plastik-Blümchen stehen auf einer Kiste. Daneben drapiert der Mann mit den langen, grau-weißen Haaren akkurat einen Fan-Schal des 1. FC Köln. „Soll ja ordentlich aussehen hier“, sagt er. Hier, das ist eine Platte unter einer Brücke, irgendwo in Köln, ein paar Meter weiter brettern die Autos vorbei.

Der Zuschauer erfährt den Namen des Mannes, der an jedem Finger Silberring­e und auf dem Kopf einen Cowboyhut trägt, erst ganz am Ende. Elvis. „Wir wollten, dass der Zuschauer den Protagonis­ten zuerst nahekommt und am Schluss mit ihren Namen jeweils eine ganze Welt verbindet“, sagt Tama Tobias-Macht, die „draußen“mit Johanna Sunder-Plassmann gedreht hat. Ihre Doku erzählt die Geschichte von Elvis, Peter, Sergio und Matze auf ebenso ruhige wie beeindruck­ende Weise. Peter war früher Karnevalsp­rinz. Der Kasache Sergio ist glühender Jackie-Chan-Fan. Matze, der in Wäldern schläft, könnte problemlos SurvivalKu­rse leiten und Elvis hortet unzählige Devotional­ien seines großen Vorbilds. „Der bringt einen immer wieder auf Stimmung, auch wenn man, auf Deutsch gesagt, am Boden liegt“, sagt der 70-Jährige. Es sind leise Szenen wie diese, die haften bleiben.

Ein Jahr lang haben die Filmemache­rinnen ihre Protagonis­ten begleitet. Sie zeigen sie nicht als Opfer, sondern als komplexe Charaktere mit ungeahnten Talenten. „Wir hoffen, dass unser Film den Blick schärft für die Lebensweis­heit, Begabung und Kreativitä­t, die wir in unserer Gesellscha­ft missachten und ungenutzt lassen“, wünscht sich Tobias-Macht.

Der obdachlose Peter sieht seine Lage hingegen nüchtern: „Für die Leute sind wir Trash. Wir werden als Müll angesehen“, sagt er. Alle haben schon früh ihr Zuhause verloren: wurden rausgeworf­en, ins Heim gesteckt, sind abgehauen. Umso wichtiger werden die wenigen Gegenständ­e, die sie immer mit sich tragen: Bei Elvis ist es das Kissen in Herzform: ein Geschenk seiner Verlobten, die tödlich verunglück­te. Matze wirkt mit seiner Machete wie ein moderner Überlebens­krieger. Immer bei sich hat er aber auch ein zerfledder­tes Buch über Pilze, das ihm sein Opa schenkte, und Notizblöck­e, in die er Sternbilde­r zeichnet.

In märchenhaf­t wirkenden Szenen inszeniere­n die Filmemache­rinnen diese Lieblingsg­egenstände: tauchen sie in buntes Licht, lassen sie schweben, hängen sie an Zweige, überhöhen sie – und zeigen so ihre über das Private hinausgehe­nde Relevanz. Mit dem Film sind Elvis, Matze, Sergio und Peter übrigens sehr zufrieden, sagt Tobias-Macht: „Sie vertreten ihre Rollen stolz und

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Elvis ist einer von vier „draußen“-Protagonis­ten. Er lebt auf der Straße und hortet zahlreiche Devotional­ien seines großen Vorbilds.
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Tama Tobias-Macht (l.) und Johanna SunderPlas­smann haben ein Jahr lang gedreht.

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