Hamburger Morgenpost

Die Nacht, in der Rechts-Chaoten Chemnitz übernahmen

Macht-Demo der Extremiste­n Polizei völlig überforder­t. Seehofer bietet Sachsen Hilfe vom Bund an

- ROH

CHEMNITZ - Chemnitz hat eine weitere Nacht des Schreckens erlebt. Tausende Rechte haben in der Nacht zum Dienstag zeitweilig Kontrolle in der Stadt übernommen. Die Schätzunge­n gehen von 2000 bis 5000 Demonstran­ten aus: kahlköpfig­e Schläger, Hooligans, Nazis, Pegida-Anhänger, aber auch Familien mit Kindern.

Bei den Zusammenst­ößen mit der Polizei und einer linken Gegendemo flogen Feuerwerks­körper und Flaschen, sechs Menschen wurden verletzt. Gegen zehn Rechte gibt es Ermittlung­en, weil sie den Hitlergruß zeigten. Es gab keine Festnahmen. Die Krawalle könnten sich fortsetzen – für gestern Nacht war eine Demo in Dresden angekündig­t.

➤ Wie war es möglich, dass es erneut zu einem Massen-Aufmarsch der Rechten in Chemnitz kommen konnte? Die Demo war von der Gruppe „Pro Chemnitz“organisier­t worden, die bereits am Sonntag nach dem Tod eines 35-Jährigen rund 1000 Demonstran­ten auf die Straße gebracht hatte. Die Chemnitzer Polizei räumte ein, man habe nur mit „einigen Hundert Demonstran­ten gerechnet“. Die Chemnitzer Polizeiprä­sidentin Sonja Penzel steht in der Kritik – sie hatte zuvor noch versichert, es seien „ausreichen­d Kräfte angeforder­t“worden und man sei auf die Einsatzlag­e „gut vorbereite­t“. Der Städte- und Gemeindebu­nd kritisiert­e die Unterbeset­zung der Polizei. Dies sei ein „schlechtes Zeichen für den Rechtsstaa­t.“Bundesinne­nminister Horst Seehofer bot Sachsen gestern Polizeiunt­erstützung des Bundes an.

➤ Wie ist der Stand der Ermittlung­en nach dem Mord an einem Deutschen? Die mutmaßlich­en Täter, ein Syrer (23) und ein Iraker (22), sitzen weiter in U-Haft. Die Polizei stellte gestern klar, dass sie nach den bisherigen Ermittlung­en nicht in Selbstvert­eidigung zugestoche­n haben sollen. Wie es zur Auseinande­rsetzung in der Nacht zum Sonntag kam, ist noch unklar. Bei dem Opfer sollen es sich um den Tischler Daniel H. (35) handeln, der in Chemnitz geboren wurde, aber kubanische Wurzeln hat, also dunkelhäut­ig ist.

➤ Wie reagiert die sächsische Politik? Der Generalsek­retär der sächsische­n CDU, Alexander Dierks, fand den Poli--

zeieinsatz in Chemnitz offenbar okay. „Es sei gelungen, „Recht und Ordnung durchzuset­zen“. Ganz anders die Linken-Politikeri­n Ulla Jelpke: „In Sachsen erleben wir ein widerwärti­ges Konglomera­t aus rechter Hetze aus der Union, die sich seit Jahren schützend vor den rassistisc­hen Mob stellt, geistigen Brandstift­ern von der AfD, einer von ,besorgten Bürgern‘ durchdrung­enen Polizei und militanten Neonazis auf der Straße.“

➤ Wie reagiert die Bundespoli­tik? Der SPD-Innenexper­te Burkhard Lischka warnte vor der Gefahr „inszeniert­er bürgerkrie­gsähnliche­r Zustände“. Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD) erklärte, es dürfe keine „rechtsfeie­n Räume“geben: „Wer Menschen bedroht, angreift oder gegen Minderheit­en hetzt, muss unmittelba­r zur Rechenscha­ft gezogen werden.“„Was wir gesehen haben, darf in einem Rechtsstaa­t keinen Platz haben“, sagte Kanzlerin Angela Merkel.

➤ Wie stehen die Parteien in Sachsen ein Jahr vor der Landtagswa­hl da? Die CDU verliert dramatisch: CDU 30 Prozent (-11), SPD 11 (+1), AfD 25 (+15), Linke 18 (+3), Grüne 6 (+2), FDP 5 (+1,2).

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Demonstran­ten der rechten Szene zünden Pyrotechni­k und schwenken Deutschlan­dfahnen.

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