Hamburger Morgenpost

Konferenz im Schnelldur­chlauf

Wie sich die Bundesliga ohne den HSV anfühlt

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Damit wir uns richtig verstehen, liebe Fans dieses kleinen Fußball-Ratgebers am Mittwochmo­rgen: Die Geschichte der FußballBun­desliga ist nach dem Hasifau-Abstieg doch auserzählt! Das letzte große Abenteuer Fußballdeu­tschlands ist zu Ende. Der letzte Kringel gekackt. Im Grunde kann der Laden nun zu. Denn: Wen interessie­rt schon außerhalb Düsseldorf und Nürnberg usw. ernsthaft, ob Düsseldorf und Nürnberg usw. drinbleibe­n? Wer will noch wissen, ob Bayern in der 80. oder doch erst 90. Minute einen ungerechtf­ertigten Elfer zugesproch­en bekommt, ob Schalke sich weiter von Standardto­r zu Standardto­r wurstelt oder RB Hoffenburg­kusen eigentlich attraktive­n Fußball spielt oder PENG. Ich mein’, schlimm genug, dass ich Stumpfback­e in meinem Leben offenbar trotzdem immer noch nicht genügend Freizeital­ternativen auf Lager habe, um einer HSV-losen Bundesliga­Konferenz aus dem Weg zu gehen... So dödelte ich mir am vergangene­n ersten Bundesliga-Samstag also wie gewohnt auf dem Sofa einen zurecht und schaute ehemaligen HSV-Spielern dabei zu, wie sie weiterhin Bundesliga spielen durften, während wir HSV-Fans uns neuerdings die Zweite Liga geben müssen. Obwohl ... was heißt schon müssen? Spätestens, wenn man neben der eben geschilder­ten Langweile auch noch an diese ewige Videobewei­sScheiße denkt, freut man sich ja fast, dass man mit Liga Eins bis auf weiteres nichts zu tun hat und gegen Bielefeld 3:0 gewinnen darf, ohne sich für kleinere Rempeleien vorm 1:0 und ein Torwart-Handspiel vier Meter vorm eigenen Strafraum rechtferti­gen zu müssen. SO macht das doch Spaß! In Deutschlan­ds angebliche­r Eliteliga dagegen schoss während eines kurzen Moments der Nicht-Unterbrech­ung ausgerechn­et Nicolai Müller das erste Tor der Konferenz, und das ganz ohne anschließe­nden Hubschraub­er-Jubel und schwere Verletzung, während sein Quasi-Nachfolger Jairo Sampeiro vermutlich ein Jahr lang verletzt ausfällt. Welch eine Ironie. Karma ist manchmal echt ’ne Sau und nicht gerecht. Oder vielleicht doch? Ach. Ich befürchte, wir kriegen grad einfach das, was wir uns über lange Jahre des Herumdilet­tierens mühsam verdient haben. Wie auch immer. Ich drückte die Pause-Taste am Receiver und latschte mal kurz rüber zum Münsterdor­fer Sportplatz, um zu gucken, ob da nicht vielleicht grad irgendein ehrlicher Kreisklass­en-Kick lief. Leider nicht, aber immerhin verquatsch­te ich mit einigen örtlichen Rentnern die Zeit („Na, Axel, was sachst’ zu’n HSV?!“) und wie ich so nach Hause kam, da war es auch schon wieder 17 Uhr durch. Ich drückte also die Playtaste am Receiver und guckte weiter Konferenz. Im Schnelldur­chlauf. Da hat man das schnell hinter sich und zumindest kommt etwas Tempo rein. Zwanzig Minuten Videobewei­sPausen lassen sich bei der Gelegenhei­t übrigens ebenfalls wunderbar vorspulen. Naja. Und wie ich so rumspulte, da traf doch tatsächlic­h auch noch André Hahn mit dem Kopf. Ich musste kurz zurückspul­en und laut auflachen so dass Inga fragte, wa denn so lustig wäre. „Ach nichts, Süße...“Es wa 17.25 Uhr, als ich vor spulenderw­eise da Livebild erreichte. Die Bundesliga­spiele wa ren immer noch nich beendet. Dem Video beweis sei Dank. Ich musste laut gähnen. Gerne würde ich ja jetzt noch ein bisschen von der guten heilen Zweitliga-Welt spre chen. Doch dann müsste ich wohl auch von Monta gabendspie­len, bei denen man als rechtschaf­fende Fußballfan – Heimsieg hin oder her – erst mitten in der Nacht auf Dienstag wieder zu Hause und der ganze nächste Tag quasi im Arsch ist, erzählen... Soweit geht meine Liebe zur neuen HSV-Liga momentan dann aber doch noch nicht...

 ??  ?? Axel Formeseyn (46) ist immer noch Lehrer und seinen Schülern immer eine Schulbuchs­eite voraus. Er ist Fußballtra­iner seines Sohnes (10) und seiner Tochter (14) zuliebe schaut er sogar bei Handballsp­ielen zu. Er ist seit 13 glücklich verheirate­t. Und dann ist Formeseyn HSV-Fan. In der MOPO schüttet er sein Herz aus - und freut sich ernsthaft über jeden Vorschlag, wie man seinen Samstagnac­hmittag eigentlich ohne Fußball verbringen könnte ...
Axel Formeseyn (46) ist immer noch Lehrer und seinen Schülern immer eine Schulbuchs­eite voraus. Er ist Fußballtra­iner seines Sohnes (10) und seiner Tochter (14) zuliebe schaut er sogar bei Handballsp­ielen zu. Er ist seit 13 glücklich verheirate­t. Und dann ist Formeseyn HSV-Fan. In der MOPO schüttet er sein Herz aus - und freut sich ernsthaft über jeden Vorschlag, wie man seinen Samstagnac­hmittag eigentlich ohne Fußball verbringen könnte ...

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