Die Rückkehr des Riesen
Der langjährige Kiezkicker kommt als Gast ans Millerntor. Reservistenrolle beim 1. FC Köln „fuchst mich“
Auf dieses Auswärtsspiel freut er sich schon seit Wochen, denn eigentlich ist es gar keins. Am Wochenende kehrt Lasse Sobiech mit dem 1. FC Köln ans Millerntor zurück. In der MOPO erzählt der Abwehr-Riese, was ihn vor dem Duell bewegt und wie es ihm bei seinem neuen Verein geht. Er spricht über die Unterschiede zwischen dem FC St. Pauli und dem „Effzeh“, den Städten Hamburg und Köln sowie seine derzeitige Reservistenrolle.
Heidi Kabel lässt grüßen. In Hamburg sagt man tschüs, das heißt auf Wiederseh’n. Im Falle von Lasse Sobiech geht das ganz schnell. Anfang Mai hatte sich der 1,96 Meter große Innenverteidiger nach dem letzten Heimspiel der vergangenen Saison vom Publikum am Millerntor verabschiedet und anschließend auch von den Kollegen. Bereits am vierten Spieltag kehrt Sobiech zurück.
„Ich habe große Vorfreude auf das Stadion und die Fans, die uns in den vergangenen Jahren immer super unterstützt haben, natürlich auch auf die alten Kollegen“, sagt der 27-Jährige, der Kontakt zu ehemaligen Mitspielern, aber auch Mitarbeitern des Vereins hält und dem Duell am Sonntag entgegenfiebert.
Fünf Jahre beim Kiezklub, 134 Spiele, 16 Tore und viele emotionale Momente – das hakt man nicht so einfach ab. „Natürlich verfolge ich auch, was bei St. Pauli passiert. Ich habe die ersten beiden LigaSpiele im Fernsehen geguckt und mich über die Siege gefreut. Sonntag schaue ich natürlich nur auf uns.“
Im letzten Satz steckt eine Formulierung, die ungewollt doppeldeutig ist, aber Sobiechs aktuelle Situation beim FC beschreibt. Er schaut. Zu. In den vier Pflichtspielen stand der kopfballstarke Blondschopf nur einmal in der Startformation, weil Kollege Jorge Meré nach einer Gelb-Roten Karte am ersten Spieltag gesperrt war. Derzeit ist Sobiech hinter Meré und Rafael Czichos Innenverteidiger Nummer drei.
„Dass ich aktuell keinen Platz in der Startelf habe, fuchst mich natürlich und ich gebe in jedem Training Vollgas, um das zu ändern“, macht der Hüne aus seiner Gemütslage keinen Hehl. „Ich bin nicht nach Köln gekommen, um auf der Bank zu sitzen.“Er will sich über das Training für einen Einsatz an alter Wirkungsstätte empfehlen. „Natürlich möchte ich am Millerntor gerne spielen und nicht nur zugucken.“
Von seinem Plan, der seinem Wechsel im Sommer zugrunde liegt, rückt Sobiech nicht ab. „Ich habe hier zwei Ziele, für die ich alles gebe. Ich möchte mit dem FC aufsteigen und daran einen möglichst großen Anteil haben. Und ich möchte in meiner Karriere noch einige Erstliga-Spiele mehr machen.“Das ist der zweite Schritt.
Das kurzfristige Ziel lautet: R(h)ein in die Startelf! Beim Kiezklub war Sobiech gesetzt, unumstritten, ein anerkannter Leistungsträger, der sich seinen Status über Jahre erarbeitet, aber auch Woche für Woche untermauert hatte. In Köln scheint der neue Trainer Markus Anfang auf Czichos (28), der in Kiel sein Kapitän war, als großen kopfballstarken Spieler im Tandem mit dem schnellen und spielstarken Spanier Meré (21) zu setzen.
Jetzt ist er der Herausforderer. „Die Qualität des Kaders ist enorm hoch“, betont Sobiech. „Jeder Einzelne hier hat die Ambition, in der Ersten Liga zu spielen. Man spürt in jedem Training die Gier und den Biss. Da geht es richtig zur Sache.“Dennoch sei der FC keine reine Ellenbogengesellschaft. „Auf dem Platz fliegen die Fetzen. Da ist totaler Konkurrenzkampf angesagt. In der Kabine oder privat geht es aber sehr harmonisch zu.“
Ambitioniert, aber teamorientiert sei das Arbeitsklima. „Hier ist keiner abgehoben oder hat Allüren. Auch ein Star wie Jonas Hector ist total entspannt und normal“, berichtet der Neue. „Wir haben auch charakterlich eine feine Truppe.“Der Verein hat es ihm ebenfalls angetan. „Der FC ist ein großer und richtig cooler Klub“, findet Sobiech, der auch Parallelen zu St. Pauli sieht. „Was das volle Stadion, die geile Stimmung und die Leidenschaft der Fans angeht, sind sich beide Vereine sehr ähnlich.“
Der größte Unterschied? „Im Gegensatz zu Hamburg, wo die Sympathien der Fußballfans verteilt sind, gibt es hier nur einen Verein, um den sich alles dreht. In Köln ist die ganze Stadt FC.“Der Klub ist Religion. In Hamburg lautet die Glaubensfrage, die die Stadt in zwei Lager teilt: St. Pauli oder HSV?
Mit seiner Freundin Nina habe er sich gut eingelebt in Köln, sagt Sobiech, was den Abschied aus Hamburg leichter macht. „Wenn ich beide Städte vergleichen müsste, würde ich sagen: Hamburg ist schöner, Köln ist cooler. Die Rheinländer sind schon offener, kontaktfreudiger und lockerer.“Einen kleinen Ersatz für das bunte Schanzenviertel, das er so mag, hat er schon gefunden: „Hier gefällt mir das belgische Viertel mit vielen Cafés, Restaurants und vielen jungen Leuten sehr gut.“
Trotz allem hängt sein Herz noch an der Hansestadt, die über die Jahre „ein Stück weit Heimat geworden“ist – und möglicherweise auch wieder wird. „Ich könnte mir vorstellen, nach meiner Karriere mit meiner Freundin nach Hamburg zurückzukehren.“Um zu bleiben. Jetzt kommt Sobiech als Besucher. Um Punkte zu entführen. Und um zu spielen.
Ich möchte mit dem FC aufsteigen und daran einen möglichst großen Anteil haben. Lasse Sobiech