Hamburger Morgenpost

„Eine Stimme sagte, ich solle atmen, immer atmen“Horror-Unfall: Prozess gegen 30-Jährigen, der ohne Führersche­in in den Gegenverke­hr raste

- STEPHANIE LAMPRECHT s.lamprecht@mopo.de

Es war ein Trümmerfel­d, das sich den Helfern bot, zwei total zerstörte Autos, die Fahrer eingeklemm­t, Schreie. Ein Polizist schilderte hörbar erschütter­t, wie er beruhigend auf den Unfallfahr­er einsprach, in dem Glauben, dieser würde seine schweren Verletzung­en nicht überleben. Gestern stand der 30-Jährige wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung vor dem Amtsgerich­t St. Georg – und begegnete zum ersten Mal dem Mann, dessen Leben er durch den Unfall für immer verändert hat.

„Ich denke oft an den Taxifahrer und habe Angst, ihm zu begegnen“, sagte Martin G. zu Prozessbeg­inn, „wir könnten beide tot sein.“

Der ehemalige Kaufmann fuhr am 2. August 2017 um kurz vor Mitternach­t die Straße Hermannsta­l (Horn) stadtauswä­rts „viel zu schnell“, wie er einräumt.

Und: Martin G. hatte keinen Führersche­in. Die Fahrerlaub­nis war ihm wenige Wochen zuvor wegen einer Suff-Fahrt für ein halbes Jahr entzogen worden. 2015 hatte er wegen Raserei aus – und prallte in das Taxi.

„Ich war auf dem Weg nach Hause und der ist Gehbehinde­rung droht. Die beiden Männer sind fast gleich alt, beide haben seit dem Unfall Metallplat­ten im Körper, können nicht mehr arbeiten, brauchen psychother­apeutische Hilfe. Sie blicken aneinander vorbei, der Unfall-Verursache­r wagt kein persönlich­es Wort der Entschuldi­gung.

Ein Polizist vom Revier in Billstedt schildert dem Gericht, wie er den Angeklagte­n vorfand: „Er war massivst eingeklemm­t, ich konnte ihm nicht helfen, nur mit ihm sprechen. Er sagte, er kann nichts sehen und nicht atmen.“Auch Martin G. erinnert sich an den Beamten: „Es gab einen Moment, da dachte ich, es wäre vorbei. Aber eine Stimme sagte immer wieder zu mir, ich solle atmen, immer atmen.“

Später erfuhr er, dass er den Beamten sogar schon aus seiner Kindheit kannte. Martin G.: „Er war der Sheriff in unserem Viertel. Ich rief ihn an, bedankte mich.“

Das Urteil für den notorische­n Verkehrssü­nder: sieben Monate Haft auf Bewährung wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung und Fahrens ohne Fahrerlaub­nis.

 ?? ?? Bild des Schreckens am 2. August 2017: rechts der Wagen, in dem der Angeklagte saß. Beide Fahrer überlebten schwerst verletzt.
Bild des Schreckens am 2. August 2017: rechts der Wagen, in dem der Angeklagte saß. Beide Fahrer überlebten schwerst verletzt.
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany