„Eine Stimme sagte, ich solle atmen, immer atmen“Horror-Unfall: Prozess gegen 30-Jährigen, der ohne Führerschein in den Gegenverkehr raste
Es war ein Trümmerfeld, das sich den Helfern bot, zwei total zerstörte Autos, die Fahrer eingeklemmt, Schreie. Ein Polizist schilderte hörbar erschüttert, wie er beruhigend auf den Unfallfahrer einsprach, in dem Glauben, dieser würde seine schweren Verletzungen nicht überleben. Gestern stand der 30-Jährige wegen fahrlässiger Körperverletzung vor dem Amtsgericht St. Georg – und begegnete zum ersten Mal dem Mann, dessen Leben er durch den Unfall für immer verändert hat.
„Ich denke oft an den Taxifahrer und habe Angst, ihm zu begegnen“, sagte Martin G. zu Prozessbeginn, „wir könnten beide tot sein.“
Der ehemalige Kaufmann fuhr am 2. August 2017 um kurz vor Mitternacht die Straße Hermannstal (Horn) stadtauswärts „viel zu schnell“, wie er einräumt.
Und: Martin G. hatte keinen Führerschein. Die Fahrerlaubnis war ihm wenige Wochen zuvor wegen einer Suff-Fahrt für ein halbes Jahr entzogen worden. 2015 hatte er wegen Raserei aus – und prallte in das Taxi.
„Ich war auf dem Weg nach Hause und der ist Gehbehinderung droht. Die beiden Männer sind fast gleich alt, beide haben seit dem Unfall Metallplatten im Körper, können nicht mehr arbeiten, brauchen psychotherapeutische Hilfe. Sie blicken aneinander vorbei, der Unfall-Verursacher wagt kein persönliches Wort der Entschuldigung.
Ein Polizist vom Revier in Billstedt schildert dem Gericht, wie er den Angeklagten vorfand: „Er war massivst eingeklemmt, ich konnte ihm nicht helfen, nur mit ihm sprechen. Er sagte, er kann nichts sehen und nicht atmen.“Auch Martin G. erinnert sich an den Beamten: „Es gab einen Moment, da dachte ich, es wäre vorbei. Aber eine Stimme sagte immer wieder zu mir, ich solle atmen, immer atmen.“
Später erfuhr er, dass er den Beamten sogar schon aus seiner Kindheit kannte. Martin G.: „Er war der Sheriff in unserem Viertel. Ich rief ihn an, bedankte mich.“
Das Urteil für den notorischen Verkehrssünder: sieben Monate Haft auf Bewährung wegen fahrlässiger Körperverletzung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis.