Hamburger Morgenpost

Die gute Seele von der Kollau

Mehr Fan geht nicht! Seit 1976 tut sie alles für St. Pauli

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An St. Paulis Trainingsz­entrum beherbergt sie in ihrem Kiosk die Kiebitze und Medienvert­reter, wäscht nebenbei auch noch die Klamotten der U23: Birgid Hönig (63) ist die gute Seele von der Kollau, wo sie beinahe täglich von 9 bis 20 Uhr ackert.

Mit ihr kann man über Gott und die (Fußball-)Welt reden. Sie kennt sehr viele alte Kiezkicker und natürlich auch die neuen. Sie gibt nicht nur beim Kauf einer Wurst ihren Senf dazu. Wenn man mit ihr spricht, stellt man schnell fest: St. Pauli ist ihr Leben. Dies seit 1976, als ihr ein Kumpel eine Karte für die Nordtribün­e schenkte: „An das Spiel kann ich mich nicht erinnern, aber ich weiß, dass ich sofort Walter Frosch toll fand.“Über den eisenharte­n Verteidige­r, der 2013 nach langer Krankheit verstarb, sagt sie: „Ich mochte ihn, weil er so war wie ich – immer ehrlich und gradlinig.“Mit ihrer Art kommt nicht jeder zurecht. Ihr Herz ist genauso groß wie ihre Kodderschn­auze. Sie war gleich viermal verheirate­t.

Hönig: „Ich hatte immer wieder den selben Standesbea­mten. Beim letzten Mal sagte er: ’Seien Sie mir nicht böse – ich möchte Sie hier nie wieder sehen.’ Daran habe ich mich gehalten.“Die Pinneberge­rin hat einen Schlaganfa­ll weggesteck­t, spricht offen darüber, dass sie eine trockene Alkoholike­rin ist: „Als ich von der Polizei angehalten wurde, hatte ich 1,59 Promille – und meine beiden Kinder im Auto. Meine Tochter sagte danach: ’Mama, wenn du uns behalten willst, hör auf zu trinken.’ Diese Drohung war für mich die beste Therapie.“

Zur Lebenshilf­e gehört für „Biggi“natürlich auch der FC St. Pauli. Sie stand hinterm Tresen des alten Klubhauses, hat „RetterShir­ts“verkauft. Sie war von 1998 bis 2015 Ordnerin, kontrollie­rte die Gäste-Fans. Seit fünf Jahren verkauft sie für kleines Geld ihre Ware. Mehr St. Pauli geht eigentlich nicht. Was Birgid Hönig am Verein so sehr mag: „Es ist die Fan-Kultur, der Zusammenha­lt. Selbst wenn die Jungs scheiße spielen, sind wir immer da. Wir trauern innerlich, zeigen es den Spielern aber nicht.“

Wir St. Paul-Fans trauern innerlich, zeigen es aber den Spielern nicht. Birgid Hönig

 ?? ?? Birgid Hönig (63) in ihrem kleinen „Kiebitz-Eck“am Trainingsz­entrum an der Kollaustra­ße
Birgid Hönig (63) in ihrem kleinen „Kiebitz-Eck“am Trainingsz­entrum an der Kollaustra­ße

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