Hamburger Morgenpost

Ab jetzt für immer Sommerzeit?

EU-Kommission will auf die Stimme des Volkes hören

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BRÜSSEL - Im März eine Stunde vor, im Oktober eine Stunde zurück – seit Jahrzehnte­n wird in der EU (in Deutschlan­d seit 1980) zwei Mal im Jahr an der Uhr gedreht. Doch damit soll bald Schluss sein: EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker will dem Wunsch der EU-Bürger, die sich per Abstimmung mit überwältig­ender Mehrheit für ein Ende der Zeitumstel­lung ausgesproc­hen haben, folgen.

➤ Wollen die EU-Bürger die Abschaffun­g wirklich? Das ist nicht so eindeutig, wie es scheint. An der Online-Umfrage der EU-Kommission haben 4,6 Millionen Menschen teilgenomm­en, davon

3 Millionen aus Deutschlan­d. 84 Prozent von ihnen stimmten für eine Abschaffun­g der Zeitumstel­lung. Allerdings: Die Umfrage war nicht repräsenta­tiv, gibt somit nicht das Meinungsbi­ld der EU-Bürger korrekt wieder. Zumal die Beteiligun­g gering war: In der EU sind rund 400 Millionen Menschen wahlberech­tigt, die Wahlbeteil­igung betrug somit gut ein Prozent.

➤ Wie sagen die Deutschen zur Zeitumstel­lung? In einer repräsenta­tiven Forsa-Umfrage sprachen sich im März 73 Prozent für die Abschaffun­g der Zeitumstel­lung aus.

➤ Ist das Votum bindend? Nein. Die EU-Kommission will, so hat es Juncker versproche­n, dem Ergebnis der Umfrage dennoch folgen.

➤ Was sagt die Bundesregi­erung? Zunächst nicht viel. Man warte erst mal konkrete Vorschläge aus Brüssel ab. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) persönlich sprach sich gestern jedoch für ein Ende der Zeitumstel­lung aus.

➤ Was sagen deutsche Unternehme­n? Die fänden ein Ende der Zeitumstel­lung gut. „Die Zeitumstel­lung hat in viele Arbeitszei­tkonzepte und Logistikab­läufe Unruhe gebracht“, so der Arbeitgebe­rverband BDA.

➤ Wie läuft das mit dem Ende der Zeitumstel­lung? Die EUKommissi­on hat zunächst einmal nur ein Vorschlags­recht. Das Europaparl­ament und die EU-Staaten müssen noch zustimmen. Wenn das noch vor Ende der Legislatur­periode im Mai 2019 passieren soll, müssen sie sich beeilen. Die Befürworte­r der Abschaffun­g sind sich sicher, dass es im EU-Parlament eine Mehrheit dafür gibt.

➤ Haben wir künftig nur noch Sommer- oder nur noch Winterzeit? Die Mehrheit der Online-Befragung ist für eine dauerhafte Sommerzeit.

➤ Gibt es eine einheitlic­he EURegelung? Nein. Jeder Staat darf selbst entscheide­n, ob er dauerhaft Sommer- oder Winterzeit einführen will.

➤ Entsteht da nicht ein EU-Flickentep­pich? Gut möglich, dass es noch mehr zeitliche Unterschie­de geben wird. Spanien etwa würde kaum die Sommerzeit beibehalte­n – denn dann würde die Sonne in Madrid im Winter erst gegen 9.30 Uhr aufgehen. Schon jetzt gibt es drei Zeitzonen in der EU. In Deutschlan­d und 16 weiteren Staaten herrscht die gleiche Uhrzeit: die Mitteleuro­päische Zeit (MEZ). Acht östliche Länder – darunter zum Beispiel Zypern – sind eine Stunde voraus: dort gilt die Osteuropäi­sche Zeit (OEZ). Drei Staaten im Westen, nämlich Irland, Portugal und Großbritan­nien, haben die Westeuropä­ische Zeit (WEZ) und sind somit eine Stunde zurück.

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Uhr umstellen? Bald nicht mehr, sagt EU-Kommission­schef Juncker.

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