Yousif A.: Abschiebung möglich – Frist verpennt
Wie das rechte AfD-Umfeld mit Fake News mobilisiert
CHEMNITZ - Eine Stadt im Krisenmodus. Immerhin zeigte die Bundesregierung gestern Flagge in Chemnitz: Sie entsandte Familienministerin Franziska Giffey (SPD). Sie legte am Tatort Blumen nieder. Inzwischen ist klar: Der mutmaßliche Messerstecher Yousif A. hätte 2016 abgeschoben werden können, bestätigte das Verwaltungsgericht Chemnitz.
Weil Yousif A. bereits ein Asylverfahren in Bulgarien hinter sich habe, hätte man ihn dorthin abschieben können, so das Gericht. Doch dann versäumten die Behörden eine sechsmonatige Überstellungsfrist, obwohl Bulgarien die Rücknahme zugesagt haben soll.
Unterdessen läuft im Internet weiter die Mobilisierung für den Schweigemarsch, zu dem drei AfD-Landesverbände für Sonnabend aufgerufen haben. AfD-Chef Gauland versuchte zu beschwichtigen: „Ausrasten ist nach einer solchen Tat legitim. Was natürlich nicht legitim ist, (...) dass Menschen gejagt werden, und es ist nicht legitim, dass der Hitlergruß gezeigt wird.“Tatsächlich wird seit Tagen aus dem rechten Umfeld der AfD mit Fake News mobilisiert:
Zum Tathergang kursieren vermeintliche Details: So sei der 35-Jährige mal mit 25, mal mit 35 Stichen „abgeschlachtet“worden, als er eine deutsche Frau verteidigen wollte. Wahr ist: Es gibt keinen Obduktionsbericht. Es gab keinen sexuellen Hintergrund, sagt die Polizei.
„Bis das Blut spritzt“, hieß es auf dem Plakat, das ein Glatzkopf bei der Demo hochhielt. Abgebildet darauf waren die Gesichter misshandelter Frauen. Die Recherche der „Tagesschau“-Redaktion ergab: Es waren keineswegs Opfer von Migranten. Die Fotos stammen aus England und Irland. In einem Fall war es eine geschminkte Schauspielerin.
Weitere Fake News: Der Täter habe vorab gedroht, jemanden zu töten. Es gab angeblich in Chemnitz bereits 54 Vergewaltigungen durch Migranten (die Statistik für 2018 erscheint erst 2019). Kanzlerin Merkel entsende die Bundespolizei, um die Demonstrationen „niederzuschlagen“. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) sieht bei der AfD rechtsextreme Tendenzen. „Diese Partei entwickelt sich in Richtung Rechtsextremismus“, sagte er. „Die Beteiligung der AfD an den Vorgängen in Chemnitz schafft neue Fakten.“Die SPD fordert, die AfD vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen.