Hilferufe an der Ladesäule
Ein Ausflug mit dem E-Auto Nissan Leaf kostet erst Nerven, macht dann aber richtig Spaß
Das ist der Moment, in dem über 30 Jahre Führerschein, Hunderttausende Kilometer und das Ansteuern von unzähligen Tankstellen nichts mehr zählen. Ich stehe mit dem Nissan Leaf am Straßenrand, will ihn an einer Elektro-Ladesäule aufladen – und scheitere! Von Passanten amüsiert beobachtet rufe ich die Notfall-Hotline des LadesäulenBetreibers an.
Tanken ist ja sonst ganz einfach. Nix da bei diesem Elektroauto: Vor dem „Tanken“steht hier Schmökern. Eine gute Viertelstunde. In einer dicken Betriebsanleitung, die beim Nissan Leaf aber mehr verwirrt als aufklärt. Immerhin: Im Internet ist die nächstliegende Ladesäule schnell über Maps gefunden, die für das Aufladen nötige App ist genauso fix heruntergeladen.
Also dann: Ladekabel raus, das Auto mit der Ladesäule verbinden und es passiert – nichts! Ruckeln hilft nicht, Nachlesen auch nicht. Und als Krönung lässt sich auch das Kabel nicht mehr lösen, um einen Neustart zu probieren. Also Anruf bei der Not-Hotline, deren Nummer auf der Ladesäule steht. Die können das Kabel per Fernentriegelung lösen – und raten zum Neuversuch. Und siehe da: Das klappt!
Zurück ins Büro. Auf der App kann ich verfolgen, wie sich die Batterie nach und nach auflädt. Nach knapp acht Stunden ist der Nissan voll „getankt“(16 Stunden an der Haushaltssteckdose). Sieben Euro kostet mich hier die volle Ladung. Sie soll für 292 Kilometer reichen – das wäre definitiv günstiger als bei einem Benziner. Also Kabel wieder lösen (klappt überraschend), einsteigen, starten und es passiert – nichts. Schon wieder!
Dafür leuchtet die Anzeige „EV-System warten. Kein Strom“auf. Wieder die dicke Betriebsanleitung durchackern, doch einen Hinweis auf diese Anzeige gibt es nirgendswo. Genervt probiere ich alles aus, kontrolliere Verriegelungen und Kabel, doch die Warnanzeige bleibt.
Also wieder eine Hotline wählen, diesmal die von Nissan. Nach zehn Minuten in der Warteschleife werde ich endlich gehört. Ich gehe die Start-Prozedur für die Dame noch mal live durch, wie schon dutzendfach zuvor – und siehe da: Plötzlich springt der Wagen an. Einfach so, ohne die zuvor geforderte Wartung.
Was auch immer das sollte: Für den Rest der Testzeit muckt das Auto nicht mehr auf, alles läuft prima. Spannendste Frage: Wie sieht es mit den 292 Kilometern aus, die die Reichweitenanzeige verspricht? Unsere Testfahrt führt in die Uckermark, hin und zurück über 160 Kilometer. Da möchte man nicht irgendwo im Nirgendwo stehen bleiben. Also fahren wir das Auto so energiesparend wie möglich, lassen alle Stromfresser ausgeschaltet – nur das Radio bleibt an. Wir meiden die Autobahn, die Klimaanlage bleibt trotz 33˚C ausgeschaltet (dafür Fenster auf), wir schalten in den Eco/B-Modus und aktivieren das sogenannte e-Pedal.
Das ist ein Pedal für alles: Der Fahrer startet, beschleunigt, bremst und stoppt damit – und mit gewonnener Energie wird gleich wieder die Batterie aufgeladen. Laut Nissan soll das e-Pedal
für 90 Prozent aller Fahrsitua- tionen ausreichen, nur für das ab- rupte Abstoppen im Ernstfall muss man noch richtig das herkömmliche Bremspedal, treten. Vorteil für den Fahrer: Er muss mit dem Fuß nicht mehr ständig zwischen Gas- und Bremspedal hin und her wechseln.
Nach 50 Kilometern registrieren wir: Unsere Rechnung stimmt, auf der Landstraße bei 80 bis 90 km/h sinkt die Reichweite sogar langsamer als die Kilometer, die wir zurücklegen. Einmal Uckermark und zurück ist also kein Problem.
Anders sieht es in der Stadt aus. Stop-and-go mag der Kleine überhaupt nicht. Alles, was wir vorher mühsam eingespart haben, wird innerhalb weniger Kilometer wieder aufgefressen. Bei reinen Stadtfahrten dürfte selbst eine Reichweite von 200 Kilometern nicht erreichbar sein.
Ausreichend motorisiert ist der neue Leaf aber auf jeden Fall – sowohl für Stadtverkehr als auch für Landstraße. Denn Nissan hat nicht nur die Batteriekapazität und damit die Reichweite) erhöht, sondern auch die Leistung (plus 38 Prozent auf 150 PS) und das Drehmoment (plus 26 Prozent auf 320 Nm). Und so beschleunigt der Kompaktwagen jetzt in 7,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Maximal 144 km/h sind möglich: Doch das sollte man nicht allzu oft ausprobieren, wenn man nicht Dauergast an der Ladesäule werden möchte. „Getankt “wird beim Nissan Leaf mit einem Kabel an der Ladesäule. Und nach anfänglichen Schwierigkeiten läuft das auch ganz gut.