Hamburger Morgenpost

Forscher warnen vor ewiger Sommerzeit

Wissenscha­ftler blicken mit Sorge auf das Ergebnis. Wird es später hell, kann uns das dümmer, dicker und grantiger machen

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MÜNCHEN - Im Sommer eine Stunde vor, im Winter eine Stunde zurück – viele Menschen leiden unter der Zeitumstel­lung. Die EU-Kommission hat nun vorgeschla­gen, sie abzuschaff­en. Wissenscha­ftler begrüßen das. Aus ihrer Sicht widerspric­ht der künstliche Wechsel der Biologie. Viele Forscher warnen allerdings vor der dauerhafte­n Einführung der Sommerzeit. Sie könne fatale Folgen haben.

In einer nicht repräsenta­tiven Online-Umfrage der EU-Kommission hatten sich 84 Prozent der 4,6 Millionen Teilnehmer gegen die Zeitumstel­lung ausgesproc­hen. Mitgemacht haben damit weniger als ein Prozent der EU-Bürger. Drei Millionen Antworten kamen aus Deutschlan­d. Die meisten waren für eine dauerhafte Sommerzeit.

Dazu kann Till Roenneberg vom Institut für Medizinisc­he Psychologi­e der Universitä­t München nicht raten und findet drastische Worte. Stelle man die Uhren ganzjährig auf Sommerzeit um, werde es „riesige Probleme geben“, warnt er. „Man erhöht die Wahrschein­lichkeit für Diabetes, Depression­en, Schlaf- und Lernproble­me – das heißt, wir Europäer werden dicker, dümmer und grantiger.“

Der Chronobiol­oge prognostiz­iert zudem: „Jedes Land, das das nicht macht, wird uns akademisch überholen.“Denn vor allem Schüler und Studenten seien betroffen, weil Lernen bei zu wenig Schlaf stark eingeschrä­nkt werde. Russland habe schon einmal versucht, dauerhaft die Sommerzeit einzuführe­n, und sei damit gescheiter­t, sagt Roenneberg.

Bei dauerhafte­r Sommerzeit müsse man an deutlich mehr Tagen im Dunklen aufstehen, sagt Roenneberg: „Je nach Wohnort haben Sie sechs Wochen mehr dunkle Schulwege morgens.“Er kritisiert, dass die Online-Befragung weitgehend ohne Aufklärung geschehen sei. „Wenn EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker gesagt hätte, dass wir künftig alle ganzjährig eine Stunde früher arbeiten müssen, wären die Leute auf der Straße gewesen. Es ist aber nichts anderes.“

Mehrere Forscher und die Deutsche Gesellscha­ft für Schlaffors­chung und Schlafmedi­zin (DGSM) sprechen sich für eine dauerhafte „Normalzeit“aus. „Die bisherige Winterzeit entspricht den Verhältnis­sen, die unter Berücksich­tigung der natürliche­n Lichteinfl­üsse für unseren Schlaf-Wach-Rhythmus am günstigste­n ist“, sagt der DGSM-Vorsitzend­e Alfred Wiater. „Wenn wir im Winter morgens länger der Dunkelheit ausgesetzt sind, werden wir schlechter wach“, sagt Wiater. Das könne die Konzentrat­ion beeinträch­tigen und zu Fehlern in der Schule und im Job führen sowie Unfälle begünstige­n.

Licht und Dunkelheit bestimmen unsere innere Uhr – wann wir wach und wann wir müde werden. Das Problem ist: Die wenigsten Deutschen können sich nach diesem natürliche­n Rhythmus richten. Ihr Tagesablau­f wird von der sogenannte­n sozialen Zeit bestimmt. Der Großteil braucht daher morgens einen Wecker, um pünktlich bei der Arbeit zu sein.

Wenn es durch die Sommerzeit abends länger hell ist, setzt die Produktion des Schlafbote­nstoffs Melatonin erst später ein. Man wird nicht rechtzeiti­g müde, muss aber morgens trotzd aus dem Bett. So chronische­r Schlaf gel.

Dennoch sei die reg mäßige Uhrenumste lung Unsinn: „Unse Biorhythmu­s ist dem Hell-Dunkel-Wechsel angepasst. Künstlich daran zu manipulier­en, macht keinen Sinn und das versteht der Körper auch nicht.“Eine dauerha te Sommerzeit, davo sind die Forscher üb zeugt, würde er aber nauso wenig verstehe .

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