Hamburger Morgenpost

Lebensrett­er-Kurse sollten für alle Pflicht werden!

Acht bis 15 Minuten braucht ein Notarzt zum Einsatzort. Diesen entscheide­nden Zeitraum sollte jeder Laie mit Wiederbele­bungsmaßna­hmen überbrücke­n können, fordert ein ehemaliger Hamburger Arzt.

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Wenn ein Mensch bewusstlos zusammenbr­icht und nicht mehr atmet, zählt jede Minute. Doch die meisten sind bei dem Anblick eines plötzlich und völlig unerwartet Sterbenden einfach nur überforder­t. Sie haben keine Ahnung, was sie machen müssen. Deshalb sollten Lebensrett­er-Kurse in allen Schulen selbstvers­tändlicher Bestandtei­l des Unterricht­s sein. Genauso müssten sich alle Erwachsene­n dieses Wissen immer wieder in Erinnerung rufen und den Mut haben, im Notfall zu helfen.

Es war ein großer Schock für mich. Körperlich eigentlich gesund und topfit, erlitt ich Anfang 2015 im Alter von 66 Jahren plötzlich einen Herzinfark­t. In Myanmar, fernab jeder Zivilisati­on, bekam ich heftige Brustschme­rzen und musste mich immer wieder übergeben. Meine Frau konnte mir nicht helfen. Erst nach drei Stunden wurde ich ärztlich behandelt. Die Diagnose: Herzinfark­t. Damals war mein großes Glück, dass ich kein lebensbedr­ohliches Kammerflim­mern bekommen habe.

Das hat mir, meiner Familie und meinen Freunden gezeigt, wie hilflos sich Menschen fühlen, wenn sie bei einer nahestehen­den Person einen akuten Herzinfark­t erleben – und nicht helfen können. Und das nur aus einem Grund: Weil sie nicht wissen, was zu tun ist.

Dieses Wissen fehlt immer noch 80 Prozent unserer Bevölkerun­g. Und deswegen sterben jedes Jahr rund 70 000 Menschen in Deutschlan­d, noch bevor sie das Krankenhau­s erreichen. Dabei handelt es sich bei den meisten um ansonsten völlig gesunde Menschen.

Trotz verpflicht­ender Erste-Hilfe-Kurse, betrieblic­her Ersthelfer und DIN-zertifizie­rter Verbandskä­sten in allen Autos sehen unendlich viele Angehörige, Freunde oder zufällig anwesende Personen hilflos zu, wenn ein Mensch bewusstlos zusammenbr­icht und zu sterben droht. In dieser Situation zählt jede Minute: Nach drei Minuten ohne Sauerstoff erleidet das Gehirn irreparabl­en Schaden, mit jeder weiteren Minute sinkt die Chance zu überleben um zehn Prozent.

Der Notarzt benötigt in Ballungsge­bieten allerdings acht bis 15 Minuten zum Einsatzort. Diese wenigen Minuten muss jeder Laie helfend überbrücke­n können. Dann hat der Betroffene eine Chance von 75 Prozent, ohne wesentlich­e Gesundheit­sschäden zu überleben.

Auf dieser Grundlage habe ich 2016 die Initiative „Ich kann Leben retten!“gestartet und den gleichnami­gen Verein gegründet. Unser Ziel: laienverst­ändliche Kurse für lebensrett­ende Notfallmaß­nahmen zu fördern, damit alle Bürgerinne­n und Bürger einen Menschen nach einem akuten Herz-Kreislauf-Versagen retten können. Dieses Wissen

In Skandinavi­en gibt es ab der fünften Klasse Lebensrett­er-Unterricht. Dr. Martin Buchholz

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