80 Milliarden Euro für eine Wiese
Kurt Claßen will RWE das Grundstück nicht überlassen
KERPEN - Das will aber Claßen nicht. Deswegen hat er die Wiese vor Jahren gekauft. Er ließ Kohlegegner in Hütten und Bauwagen dort leben. Die gruben auch Erdlöcher, die in einem internen Einsatzbericht der Polizei als Einstiegsluken in einen Tunnel bezeichnet wurden.
Die für den Bergbau zuständige Bezirksregierung Arnsberg hat ihn im Sommer aufgefordert, mit RWE zu verhandeln, eine gütliche Einigung sei erwünscht, stand damals im Schreiben. Andernfalls gebe es ein Grundabtretungsverfahren. Heißt im Klartext: Enteignungsverfahren, auf Antrag von RWE.
Der Steuerberater gibt sich gesprächsbereit. 12 500 Euro hat er für die Wiese bezahlt, RWE bot zuletzt 15 000 Euro, Claßen fordert stattdessen 80 Milliarden. Seine Argumentation: Das Angebot von RWE basiere auf dem Wert des Grundstücks als Ackerf äche: „Maßgeblich ist aber nicht, welchen Wert das Grundstück für einen landwirtschaftlichen Betrieb hat, sondern welchen Wert es für den Tagebaubetrieb Hambach hat.“Fünf Milliarden Euro Jahresplus des Tagebaus hat Claßen mit 20 multipliziert, schließlich sei eine Laufzeit von noch 20 Jahren angepeilt. „Als Verhandlungsbasis“, so Claßen, habe er demnach der RWE 80 Milliarden Euro am Telefon mitgeteilt. Danach gerieten die Verhandlungen ins Stocken.
Das inzwischen eingeleitete Enteignungsverfahren sieht Claßen gelassen. Seiner Ansicht nach ist eine Enteignung nur dann erlaubt, wenn es ein „überwiegendes Gemeinwohlinteresse“am Tagebau Hambach gebe. Claßen bezweifelt dies, verweist etwa auf Stromexporte ins Ausland. Auch ohne den Tagebau würde das Land wirtschaftlich nicht darniederliegen.
Die Bezirksregierung werde den Preis im Rahmen des Verfahrens festlegen, sagte er jetzt im Deutschlandfunk. „Man braucht kein großer Prophet zu sein, um sich auszurechnen, zu welchem Preis die Bezirksregierung, die das Land NRW vertritt, den Wert dieses Grundstücks ansetzen wird.“Er werde dagegen klagen, sagt der 69-Jährige, aber viel Kraft und Geld könne er für den Kampf gegen RWE nicht mehr aufbringen. Bis zum Jahr 2024 könnte die Zeit für das Verfahren trotzdem knapp werden, wenn er den Rechtsweg ausschöpfen sollte.